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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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das erreichte eine durch Mordbrennen und Intrigen an die Macht gekommene Führung in wenigen Stunden! Es war ihr
    ergangen, wie es bei den Propheten zu lesen ist, bei Isaias 5, 10, 24, bei Jeremias 2, 4, 5, 14 und Ezechiel 5, 14, 21.
    Doch das schien die Rheinbacher Würdenträger nicht weiter zu bekümmern, wie Pfarrer Hartmann schrieb:
    »Rheinbach ist mir nun ein Nein-Bach. Ach, was war sie für eine edle Stadt, als noch der Vogt Schwegeler, Herbert Lapp, Gottfried Peller, Johann Bewell, Richard Gertzen, Euer Vater und Ihr selbst in Rheinbach an der Regierung wart! Jetzt aber ist Ungerechtigkeit und keine Ordnung mehr! In Rat und Bürgerschaft sieht es so aus, als sei alles in Kinderhände gefallen. Ehebrecher, Versoffene und Selbstsüchtler haben das Regiment. Ohrenbläser und Hinterträger sind alle diese Ja-Herren. Dankt Gott dem Allmächtigen, dass Ihr nicht mehr unter solchen Menschen und Schweinen zu leben braucht. Ich wünsche und befehle Euch samt Eurer Frau in den Schutz und Schirm des Allerhöchsten. Rheinbach, 4. Juni anno 1676 Euer Wienand Hartmann, Pastor«
    Die beiden Schöffen Thynen und Halfmann erwähnte er mit keinem Wort.

    Als Löher am Haus von Hendrick Bra, dem Kupferstecher, vorbeikam, vernahm er ein Klopfen an einer Fensterscheibe und sein Landsmann bedeutete ihm mit einer Handbewegung einzutreten, aber das hatte er sowieso vorgehabt. In dem niedrigen Raum hing eine wilde Mischung von Gerüchen.
    Fischleim, weihrauchiges Sandrak, nach Zitronen duftendes Mastix und auf dem Herd köchelte schwarzes, höllisch stinkendes Judenpech. Hendrick Bra brummte so etwas wie eine Begrüßung. Löher trat hinter ihn und sah ihm über die Schulter.
    »Schön. Gefällt mir«, sagte er nach einer Weile.
    Auf dem fast fertigen Kupferstich lag ein Mann auf dem Boden eines Gerichtssaals. Offensichtlich war er tot. Um ihn herum standen die Gerichtsherren ratlos mit betroffenen Gesichtern, einer von ihnen hatte ein Gesetzbuch in der Hand, in dem er, wie es aussah, einen Hinweis zu finden hoffte, dass der Hingeschiedene nach Recht und Gesetz zu Tode
    gekommen sei, während sich im Hintergrund zwei Schöffen mit Würfelspielen vergnügten.
    Auf die Idee, das Buch mit Bildern zu versehen, hatte ihn sein Freund Abraham Palingh gebracht, der in sein eigenes Werk ebenfalls Abbildungen eingefügt hatte, die auch schon Hendrick Bra gefertigt hatte.
    Hermann Löher trat hinüber zur Wand, wo er einen anderen Stich zur Hand nahm. Auf ihm war eine Verbrennungsszene zu sehen, bei der ein Reiter das Geschehen beobachtete und einen dreieckigen Gegenstand hochhielt.
    »Das erkennt man doch nicht! Wer soll erahnen, was das sein soll?«
    »Verschone mich mit deinem blöden Zuckerhut!«, schimpfte Bra. »Ein Zuckerhut hat nun einmal eine Kegelform und wie soll ich die anders abbilden als durch ein Dreieck?«
    »Vielleicht schattieren?«, schlug Löher vor.
    »Das kann ich schon machen, mein Lieber, nur wird es der Drucker nicht hinbekommen. Selbst wenn man die Kegelform erkennen könnte – wer käme auf den Gedanken, dass dein Geck Augustin oder wie der Kerl heißt seinen Wein aus einem Zuckerhut säuft?!« Bra war nun ziemlich ungehalten. »Ich kann ja einen Pfeil einfügen und Zuckerhut daneben schreiben!«
    »War doch nur ein Vorschlag!«
    Hendrick Bra brummte etwas Unverständliches und beugte sich wieder über seine Arbeit.
    »Ach, übrigens«, sagte Löher nach einer Weile, »kein Sterbenswörtchen von den Kupferstichen zu meiner Frau!
    Verstanden? Wenn die etwas davon erfährt, dann ist der Teufel los!«

    »Das Essen ist kalt. Du kannst es dir selbst aufwärmen!«
    Tringens Stimme klang immer noch gereizt. Ihr dünner Mund zog eine schmale Linie in das hagere Gesicht.
    »Hab’ keinen Hunger!«, knurrte Löher zurück und stieg die Treppe hoch zu seiner Kammer, legte die Zeitung ungelesen auf den Tisch und machte sich unverzüglich wieder an die Arbeit. Er schlug den Laymann auf – mit dem Abraham Palingh allerdings einer Fälschung aufgesessen war. Genau genommen war es sogar eine doppelte: Zum einen war der Titel von dem unsäglichen Buch »Rechtlicher Prozess gegen Unholden und zauberische Personen« von Goehausen
    gestohlen und zum anderen war Paul Laymann in Wahrheit nicht der Autor. Nur dank eines geschäftstüchtigen Druckers war er vom entschiedenen Gegner der Hexenprozesse zu deren fanatischem Befürworter mutiert. Davon wusste Löher nichts und die Geschichten an sich waren nicht aus den Fingern gesogen und

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