Die Liebe am Nachmittag
dritte in einem Gordon. Mein Trainer hatte einen Traum, mit fünfzig wollte er ins englischsprachige Kanada auswandern, um seine Kinder in eine menschlichereWelt zu bringen. Nun muss der Arme bleiben und darf weitere zwanzig Jahre unbegabten Bengeln und fülligen Damen beibringen, wie man den Schläger hält und Stunde für Stunde Bälle servieren, bis man sie ihm allright zurückgibt.
Lange schon habe ich nicht von Iboly gesprochen.
Morgen.
Heute früh hatte ich eine Entzündung am linken Auge, jetzt schreibe ich und halte dabei das Taschentuch an mein linkes Auge.
14. Nacht
Mit Iboly war ich Ende Oktober schon so weit, dass ich anfing, sie zum Abendessen auszuführen. Natürlich nur in verschwiegene kleine Kneipen oder in abseits gelegene Kaffeehäuser, ja am liebsten setze ich mich mit ihr in das Restaurant am Westbahnhof, spätabends, wenn keine Züge mehr abfahren.
Die Dame ist auch jetzt noch aktuell, das soll gesagt sein.
Als sie von ihrer ausgedehnten Sommerfrische zurückkam, habe ich mich über die 5Fleurs gefreut. Ihre Haut ist glücklicherweise so geartet, dass die Sonne sie kaum bräunt. Sonnengeröstete Damen schätze ich nämlich ganz und gar nicht.
Um ihr ein Kompliment zu machen, gestand ich der 5Fleurs, ich hätte sie während der ganzen Zeit kein einziges Mal betrogen. Sie meinte:
»Ich hätte es verziehen.«
Doch nicht ihr zuliebe bin ich so anständig gewesen, nein: Es ist mir ein, sagen wir, sonderbares Bedürfnis, von Zeit zu Zeit für eine Weile abstinent zu sein; zwischen zwanzig und dreißig konnte ich nach einer schmerzhaft zu Ende gegangenenLiebesaffäre, einer tiefen Enttäuschung, monatelang ohne Frau auskommen. Und von Monat zu Monat leichter. Ich stellte mir für mich eine Art Reinheit vor, die vielleicht ganz jungen Priestern eigen ist, genoss die Enthaltsamkeit gerade dann, wenn mich das natürliche Verlangen nach einer Frau überfiel; empfand die Askese als etwas Erhebendes; in diesen Wochen und Monaten konnte ich Frauen voller Bewunderung betrachten; ich vergaß alles Schlechte und Niederträchtige, Mädchen und Frauen, die ich sonst wohl gar nicht wahrgenommen hätte, wurden zu begehrenswerten Wesen, jede kleine Tänzerin, der ich sonst nur hätte hinterherpfeifen müssen, verwandelte sich durch das changierende Glas meiner Sehnsucht zur Traumfrau. Jungen hatten mir seinerzeit beigebracht, dass man sich nach einer verspielten Liebe schnell, ja schnellstens in ein neues Abenteuer stürzen muss. Aber ich war schwach, konnte nicht so schnell darüber hinwegkommen, meine Apotheke war: die Pause. Und zur Zeit meiner Jugend pflegte man noch das Liebesleid, was aber längst aus der Mode gekommen ist. Lange Zeit war ich stolz auf ein kleines Pariser Abenteuer, damals im Mai; ich ging nach einer Enttäuschung nach Paris. Eines Mittags spazierte im Parc Monçeau ein Mädchen an mir vorüber. Ich sah sie nur ganz kurz an, denn sie war hübsch. Nach drei Schritten wandte sie sich um und lächelte mich an. Mein Herz machte einen Satz, ich beschleunigte meine Schritte. Die Kleine hörte, dass ich ihr nachkam, mit erhobenem Kopf schien sie zu warten. Dann verlangsamte sie ihre Schritte, um mir Mut zu machen. Ich aber bog schnell ab. Durch meinen erhitzten Kopf schoss der Gedanke: Für eine so kleine Freude werde ich doch nicht meinen großen Schmerz opfern.
Übrigens ist mir in diesen sechs Wochen, während die 5Fleurs unterwegs war, keine über den Weg gelaufen, für die es sich gelohnt hätte, drei Tage zu lügen.
Iboly musste ich das manierliche Essen beibringen.
Den Löffelstiel hält man weiter hinten. Nein, auch nicht ganz hinten, in der Mitte des Stiels.
Und wie du das Messer anfasst, wie ein Messerstecher. Sieh mal, du hast den Zeigefinger fast an der Klinge, schneidest dir ja in den Finger.
Diese vom Schicksal Benachteiligten halten das Messer ganz vorn, weil ihre Messer keine Schneide haben und weil sie oft zähes, altes Fleisch und hartes Brot schneiden müssen.
Für die Mehlspeise brauchst du kein Messer.
Zum Käse verwendet man keine Gabel.
Natürlich war das nicht einfach, und es ging auch nicht schnell. Wenn sie das Gelernte vergaß, gab es eine Strafe: Ich streute ihr Salz in die Hand, und sie musste daran lecken. Und bevor die Mehlspeise kam, nahm ich ihr das Messer ab, wenn Käse aufgetragen wurde, musste sie mir die Gabel aushändigen.
Die Arme hatte sich auch an stinkenden Käse zu gewöhnen. Ihr wurde beinahe übel, als ich ihr den ungarischen Harzer
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