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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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zwei, drei Jahren. Auch auf dem Handrücken zeigen sich hier und da Borsten – man fragt sich, was soll’s? Ja, sogar an den Ohrenspitzen entdecke ich dichteren Haarflaum, wann der sich dort angesiedelt hat, kann ich nicht sagen. Erst in letzter Zeit fange ich an, diese Symptome zu beobachten. Mein Friseur kam kürzlich mit seiner Haarschneidemaschine: Moment mal, gnädiger Herr, packte mein Ohrläppchen und schnippelte diesen Milchbart am Saum der Löffel weg. Jetzt muss er es wöchentlich einmal tun. Aus meiner Augenbraue, der linken, wuchs eine lange steife Borste, letztes Jahr ist mir das aufgefallen, warum gerade aus der linken? Ichpflege sie selbst mit einer Schere zu kappen, ungefähr alle zwei Monate. In manchen Augenblicken betrachte ich meine Hand, wie dramatische Schauspieler, wenn sie gerade keinen Text haben, also das In-sich-Gehen spielen. Der Handrücken zeigt irgendwie Perlmuttglanz, letztes Jahr hatte er den noch nicht, oder ist es mir nicht aufgefallen? Und dann diese feinen Härchen rechts in Richtung kleiner Finger und die Risse auf dem Handrücken, wie auf alkalischem Boden. Mein Gott, ist das denn meine Hand? Auch habe ich auf der Stirn vier Falten, sie sind so prägnant, als wären es Nähte, nur ist die Linie nicht fortlaufend, sie erinnert an Wagenspuren, die verschwinden und dann irgendwo wieder sichtbar werden. Auch zwei senkrechte Falten durchfurchen meine Stirn, zwischen den Augenbrauen. Es sind tiefe Kerben und drei Zentimenter lang.
    Mutter meinte, das käme daher, dass ich die Augen in der Sonne immer so zusammenkneife und dass ich sie so stark zusammengekniffen habe, bevor ich die Brille trug, um die kleinen Buchstaben lesen zu können. Auch meine 5Fleurs behauptet, es handele sich um Mimikfalten auf meiner Stirn; sie verübelt mir auch die von den Augenwinkeln ausgehenden Fältchen und erklärt sie für mimische Hautknicke. Sie brachte eine französische Creme mit und hat sie mir eigenhändig mit fettigen Fingern rund um die Augen in die Haut massiert; mir auch ans Herz gelegt, jeden Abend die Augenwinkel und die Falten auf der Stirn, zumindest die zwei senkrechten, mit Creme zu massieren, die müsste dann über Nacht einwirken. Das tat ich, wenn ich es nicht vergaß, aber dann wurde ich nachlässig und gab es auf. Übrigens gleiche ich mit diesen Falten meinem verstorbenen Vater mehr, und das tut mir gut. Die beiden senkrechten gefallen mir sogar, auch der Löwe hat zwei wilde dunkle Striche zwischen den Brauen. Wenn sie es nicht allzu eilig hat, massiert mir 5Fleurs auch den Rücken, den Hals und den Bauch; mit dieser Zärtlichkeitweckt sie mein helles Entzücken. Sie hätte es gern, wenn ich mit ihr zum Tennis gehen würde; will nicht einsehen, dass ich überhaupt nicht in ihren Tennisclub passe; sie wird mir beweisen, dass sie meine Aufnahme durchsetzen kann, auch wenn sie dort auf Künstlervolk nicht gerade erpicht sind. Sie musste mir ihr Wort geben, dass sie von einer solchen Gottesversuchung absieht. Schließlich sind meine Nachmittage auch nicht dazu da, dort vertrödelt zu werden. Sicher, auch ich gehe zwischen April und November, schon seit fast zehn Jahren, auf einen Tennisplatz hier in meiner Nähe und übe dort ein paar Sätze mit einem Trainer; seit drei Jahren zahle ich ihm gelegentlich etwas, bei ihm habe ich ungefähr genauso hohe Schulden wie beim Schneider. Will auch schon immer aufhören, weil ich nicht möchte, dass er seine Zeit mit einem so unsicheren Kunden wie mir vertut, doch dieser treue Zeitgenosse will mich nicht fallen lassen, sagt, es lohne sich für ihn, auch wenn er nie zu seinem Lohn kommt, denn wir unterhalten uns Englisch, und deshalb ist ihm dieses Training wichtig. Ich muss dazu sagen, dass er genau soviel besser Englisch spricht als ich, wie er Tennis spielt. Mein Trainer ist ein Mann um die fünfzig und dünn wie aus Draht, nur sein Haar ist grau, der Physiognomie nach ist er eine Rothaut. Dieser Mensch hatte in zwanzig Jahren an die fünfzigtausend Pengő zusammengespart, ging nie ins Kaffeehaus, auch nicht ins Kino, legte jeden Heller zurück, lebte mit seiner Frau und den Kindern aufs Allersparsamste; in einer guten Bank ließ er sein Geld sich vermehren. Vor zwei Jahren machte die Bank bankrott. Die Herren, die meinen Trainer um sein Geld gebracht haben, für das er zwanzig Jahre lang auf dem Court herumgehetzt und -gesprungen ist, diese Herren sitzen natürlich jetzt immer noch, einer in einem Paquardon, der zweite im Chrysler und der

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