Die Liebe am Nachmittag
Dunhill gefunden worden sei. I wo, Schätzchen, erklärte die Gnädige heiter, das hat vermutlich einer der anwesenden jungen Herren eingesteckt, denn für mein Personal lege ich die Hand ins Feuer, keiner von ihnen hat je etwas angefasst. Vor dem Dunhill habe ich der 5Fleurs lediglich einmal eine Kassette mit schönem Briefpapier zum Geburtstag geschickt und ihrer kleinen Tochter das gerade sehr gefragte Bilderbuch
Roi Babart
gekauft; bezahlt habe ich es bis heute nicht. Mir schenkte die Dame schon in den allerersten Tagen ein feines, zwirnsfadendünnes Goldkettchen, ich sollte es um den Hals tragen; danach überraschte sie mich einmal mit einer goldbeschlagenen langen Zigarettenspitze aus Bernstein, ein anderes Mal bedrohte sie mich mit einem schweren silbernen Brieföffner; wenn ich ihn nicht annähme, würde sie mich damit erstechen. Es war nicht leicht, 5Fleurs solche Konventionen auszutreiben. Gerührt hat mich, dass sie mir einmal ein Löckchen aus dem Goldschopf ihres Kindes brachte, das mit einem schwarzen Haar von ihr umschlungen war. Das Goldkettchen um den Hals ertrug ich nicht länger als zwei Wochen, dann legte ich es in die Tischschublade.Als junger Mann bekam ich auch gelegentlich solche Sklavenkettchen der Liebe geschenkt, habe sie auch getragen, um den Hals, am Handgelenk oder an meine Uhrkette geknotet. Gegen Gold habe ich eine Abneigung; mit fünfundzwanzig hatte ich zum letzten Mal einen Ring am Finger. Wenn ich die Dame erwartete, hängte ich mir das Kettchen um den Hals, aber später ließ ich es; ich sagte der Dame, der Kontakt mit dem Metall sei mir unangenehm, sie solle mir nicht bös sein, aber sie wisse doch,ich sei ein nervöser Typ. Den silbernen Brieföffner hat sich schon am dritten Tag mein neuer Exekutor vorgemerkt, der meine Verbindlichkeiten von einem bankrott gegangenen Modegeschäft übernommen hatte. Ich musste mich also auch hier zu Ratenzahlungen verpflichten, es wäre schließlich peinlich gewesen, wenn 5Fleurs festgestellt hätte, dass ihr teurer Brieföffner verschwunden war. Die Bernsteinspitze aber habe ich eines schönen Tages, als ich auch für die Trambahn kein Geld mehr hatte, in einem Schmuckladen verkauft; in dem Fall konnte ich sagen, ich hätte sie verloren. Keine zwei Mal habe ich diese Spitze zwischen den Zähnen gehabt; ich verwende keine Zigarettenspitzen.
Jetzt aber muss ich mir eine Kompresse mit Kamillentee auf mein Auge machen.
16. Nacht
Damals, gegen Ende November, erschienen bereits die ersten Vorschauen auf mein Stück.
Ich habe jetzt mit dem dritten Akt angefangen. Schlafe nun weniger als sonst, lese nicht, höchstens Zeitungen, und wenn ich mich hinlege gelegentlich zwei, drei Seiten Gedichte in meinem geliebten siebenbürgischen Neumarkter Liederbuch;manche Nacht wälze ich mich stundenlang im Bett herum, weil ich die natürliche Müdigkeit unterdrückt habe und nun überdreht bin. Der ganze Körper juckt, als hätte mich ein Schwarm feuriger Ameisen heimgesucht; das Herz beginnt zu rasen; wenn es jetzt plötzlich aussetzt, wer soll dann das Stück fertig schreiben? Wie sicher sich doch das Theater fühlt, dass ich auch morgen noch lebe und dass es Mitte Dezember mit den Proben beginnen kann. Denn diese Terminverschiebung um zwei Wochen habe ich mir schon erbettelt. Während ich mich verzweifelt herumwälze, knipse ich das Nachttischlämpchen an und sehe mich in meinem Zimmer um; wenn mich die Putzfrau morgen tot antrifft, den Hausmeister herbeijammert und die Polizei, wenn der Arzt kommt und der Reporter, der das Sterbezimmer beschreibt, wird er auch erwähnen, welche Bücher er auf meinem Nachtkästchen gesehen hat; eine Bibel und einen Band Montaigne. Das ist mein erster Gedanke, ja meine Sorge, danach fällt mir meine arme Mutter ein, die ohnmächtig wird, wenn sie erfährt, dass ihr Sohn einen Herzinfarkt hatte. Wie ich mich mit diesem Stück plage!, wie verzweifelt ich mich am Morgen hinsetze, im Kopf die Sorge, was ich nachmittags fürs Feuilleton schreiben werde, wie einer, der im Gehirn die nicht herausoperierte Kugel spürt; ich habe nicht die blasseste Ahnung von der Glosse, die ich in Windeseile werde herausschwitzen müssen, weil sie das tägliche Brot meiner Mutter und meiner verwitweten Schwester ist. Die morgendliche Post traue ich mich nicht zu öffnen, sie regt mich so auf, dass ich danach nicht arbeiten kann. Es sind Briefchen von verrückten Frauen und verrückten Männern darunter,Bettelbriefe ehemaliger Schulfreunde und
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