Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
Vom Netzwerk:
Seligkeit, zur Besinnungslosigkeit: sich zu besinnen, das ist Gottes Sache, daraus darf man keine Noten machen.«
    Auch die Dame habe ich nicht gebeten, zur Oktober-Andacht mitzukommen. Letztes Jahr lockte ich sie einmal mit, ein einziges Mal, aber ich habe es bereut. Ungefähr eine Dreiviertelstunde hat sie es ertragen, danach: Es war sehr schön, aber jetzt lassen Sie uns gehen, und zwar zu mir, schade um die Zeit.
    Wenn sie doch so wäre, dass ich ihr diese goldene Krone, den Oktober, aufs Haupt setzen könnte. Wenn sie doch so wäre, dass ich sie mit mir nehmen möchte ins Himmelreich meines Glücks, auf den Meeresgrund meines Bewusstseins. Könnte sie mir doch die ideale Freundin sein, so wie ich sie mir als Freund wünschen würde, wenn sie ein Mann wäre. Ach, wenn sie doch die wäre, mit der ich ebenso glücklich sein dürfte, wie ich es allein bin.
    Wie ist diese Frau gerade auf mich gekommen? Ich war für sie etwas Neues, eine andere Welt; sie ist neugierig geworden auf mich. Und aus purer Bequemlichkeit ist sie dann bei mir geblieben, wie ich bei ihr. Ist das für sie Liebe, diese sich in gewissen Abständen wiederholenden Leibesübungen? Oder hat auch sie geglaubt, dass sie von Mal zu Mal mehr von mir fordern und mehr und mehr von sich würde geben können? Vielleicht lenkt auch sie an manchen Abenden den Scheinwerfer ihrer Fantasie in andere Richtungen, so wie ich, und wartet, dass ihr morgen der Richtige über den Weg läuft, so wie ich es mir erhoffe? Doch ihr gesellschaftliches Programm nimmt sie so sehr in Anspruch wie mich meine Sorgen, und sie prolongiert mich ständig, mich, den sie gewöhnt, auf den sie schon eingespielt ist, den sie noch immer von Neuem begehren kann.
    Immer noch kommt es vor, dass mich so ein quälender Schmerz überfällt, wenn sie weggeht. Mir fehlt so sehr, was mir an ihr fehlt! Ich hatte mir vorgenommen, ihr das wunderbare spanische Wort zu schenken, das ich vor Jahresfrist von einer durch die Welt tingelnden Tänzerin bekommen habe: Alma de mi curazon! Du Seele meines Herzens! Und es ist mir nie über die Lippen gekommen. Ich kann nicht so gemein sein. Öfter beim Ruhen, wenn es draußen dunkel wird – denn auch sie mag es, so ohne Licht noch eine Viertelstunde Siesta zu machen   –, zuckt mir das Herz zusammen und ich verspüre den Drang, mich dort neben ihr hinzuknienund sie mit gefalteten Händen auf so alberne Weise anzubeten. Deine Augen. Dein Mund. Deine Zähne. Deine Zunge. Dein spitzes rotes Zäpfchen im Rachen, das ich nicht küssen kann. Dein Atem. Deine Wärme. Dein verwandeltes Gesicht. Deine Müdigkeit. Das stolpernde Blut in der Schlagader deiner Hand. Deine zehn Finger an den Händen, die zehn Zehen an deinen Füßen. Amen. Nein, nein, sie ist es nicht. Die ich so zu preisen wünsche, ist eine andere, eine, die es nicht gibt. Mir wurde das Herz schwer und ich seufzte: Was ist Ihnen?, fragte sie, wenn sie es hörte. Nichts, meine liebe 5Fleurs, es ist so gut, dass Sie da sind, bei mir.
    Wir siezen uns. Von dem Augenblick an, da sie aus der Umarmung zu sich kommt, siezen wir uns. Das ist schön, tugendhaft, aber nicht meine Sprache; meine Sprache ist das Duzen, wie die der Kinder und der Wilden oder die des Gebetbuchs.
    In diesem Sommer wollte sie mich mitnehmen nach Dalmatien und nach Italien. Sie fährt allein hin mit ihrem eigenen Wagen, für sechs Wochen. Es wird wunderbar. Jede Nacht anderswo absteigen. Alle bekannten und begehrten Orte meiden. Sie studiert schon die touristischen Straßenkarten, auch wird ihre Freundin ihr helfen, die Reiseroute zu planen; eine hübsche geschiedene Frau, ein oder zwei Jahre älter als sie, die Italien kennt wie ihre eigene Hand.
    Ich kann nicht mitfahren, habe kein Geld.
    »Sie sind eingeladen. Und ich verbiete Ihnen, auch nur einen Pengő mitzunehmen.«
    Nein, nein, nein, das tue ich nicht.
    So etwas kann man doch nur von einer Frau annehmen, die man besinnungslos liebt, unrettbar vergiftet, nicht wahr?
    Sie ist dann schließlich mit dieser Freundin gefahren, der geschiedenen. Von ihr hatte sie mir schon einmal erzählt, dass sie wegen des Rufes und wegen ihrer riesigen Apanage hier zu Hause besonders vorsichtig im Umgang mit Männern ist,sie deckt ihren Bedarf an Liebe im Ausland. Fährt nach Paris, reist nach Rom, überall hat sie ihre Gesellschaft, sucht sich meist schon am ersten Tag einen Kavalier aus. So eine Romanze dauert dann ein paar Wochen, dann lässt sie die Herren fallen, antwortet auf ihre Briefe nicht

Weitere Kostenlose Bücher