Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
Vom Netzwerk:
hatte ich keine Zeit, jede freie Stunde gehörte dem Schreiben. Bis Anfang Dezember muss das Stück stehen, das Theater hat meine Zusage. Ich gehe mit Ibolya nur zum Abendessen, zweimal die Woche, höchstens dreimal. Die anderthalb Stunden, die ich mit ihr verbringe, sind für mich dasselbe wie für den Boxer die Pausen, in denen man ihn zwischen den Runden hinsetzt und ihm mit dem Handtuch Luft zufächelt.
    Der 5Fleurs habe ich ebenfalls gesagt, dass ich sie ein paar Wochen lang nicht öfter als einmal wöchentlich sehen kann. Auch anrufen soll sie besser nur ein- statt zweimal pro Woche. Von Ibolya hat sie natürlich keine Ahnung. Auch meine Freunde wissen nichts von diesem Mädchen, bisher bin ich ja zum Glück niemandem begegnet. Einmal im Oktober, als ich mit Iboly gerade ein kleines Kino an der Ringstraße verließ, sah ich, dass uns einer von meinen Herrenbekanntschaften entgegenkam, ich machte auf der Stelle einen Bogen, von Ibolya weg Richtung Litfaßsäule, hörte hinter mir ihre Stimme: Warum rennen Sie denn so? und trat erst wieder zu ihr hin, nachdem mein Bekannter und ich uns gegenseitig ein »Habe die Ehre!« zugerufen hatten. Ihr sagte ich, ich hätte nur auf das Plakat geschaut, um zu sehen, was morgen im Nationaltheater auf dem Programm steht. Ich war zu feige, Iboly dem Bekannten vorzustellen, weil sie nicht besonders elegant und ja auch nicht gerade die Schönheit ist, mit der man angeben will. Obwohl ich Iboly in letzter Zeit ein paar Geschenke gemacht habe, zum Beispiel ein hübsches weißes Retikül aus Lackleder, im Ausverkauf, für vier Pengő neunzig. Ihr Krokotäschchen war ja schon so borstig, dass es jeden Zoologen inVerlegenheit gebracht hätte, denn gewiss hat noch keiner der Fachkollegen je ein behaartes Krokodil gesehen. Auch kaufte ich ihr drei Paar Strümpfe mit kleineren Fehlern, die man nicht sieht; mir war zu Ohren gekommen, dass oft tadellose Strümpfe als fehlerhaft deklariert und preiswert in die Auslage gegeben werden, um Kunden anzulocken. Ich hatte nämlich an Ibolyas Fersen gestopfte Stellen registriert. Sie beichtete, sie müsse mit zwei paar Strümpfen auskommen. Dann erstand ich für sie ein Dutzend Taschentücher, so billig, dass es eine Schande ist, doch Iboly war hingerissen: fantastisch! Und sie sah mich an, als wäre ich der Fürst Festetics. Sogar ein kleines
i
habe ich ihr hineinsticken lassen, zehn Heller per Stück. Was habe ich ihr noch gekauft? Lavendelwasser und ein inländisches Parfum, von meinem Drogisten erzeugt; der Veilchenduft ist ihm besonders gut gelungen, er könnte dieses Duftwasser glatt mit französischem Etikett vertreiben. Iboly hatte nun Ibolya, also Veilchenduft, an sich. In der Josefstadt sah ich, als ich einmal in einem kleinen Blumenladen Veilchen kaufte, dass die Verkäuferin das Sträußchen mit Veilchenduft besprühte. Die Blüten selbst waren ziemlich blutarm, hatten keinen Duft. Ja. Und dann gab ich Iboly ein paar Bücher; im Antiquariat kaufte ich für sie Gárdonyi und Zsigmond Móricz; unter einer Einfahrt und in der Trafik erstand ich Zwanzig-Heller-Romane, Maupassant und Zola. Später, wenn ich bei ihr bleibe, kriegt sie Tschechow und vielleicht auch Hamsun. Man muss ihr eine Leiter hinhalten bei ihrer Lektüre; jetzt ist sie gerade so weit, dass sie irgendeinen Guido da Verona geliehen bekommen hat und sagt: ein fantastisches Buch, wunderbar!
    Sie zerbrach sich ständig den Kopf darüber, was
sie
mir schenken könnte. Einmal brachte sie dann ein hübsches französisches Buch mit, der dicke Ledereinband war goldverziert. In manchen reichen Häusern sieht man solche schönen alten französischen Bücher gelegentlich auf dem Lesetischchen liegen:öffnetman sie,so findet man Pralinés darin. Auch aus diesem mir von Ibolya geschenkten Buch hätte man die Blätter entfernen und den entkernten Band mit Näschereien füllen können, damit der Inhalt genießbar wäre; dieses edle französische Buch hingegen enthielt eine Sammlung von irgendwelchen vulgären Couplets aus dem 18.   Jahrhundert. Ibolyas Vater hat es im Krieg an der italienischen Front erbeutet.
    Ich werde die Kleine damit überraschen,dass ich auch dieses Buch entkernen und dann mit Bonbons füllen lasse, zu Weihnachten.
    Der Dame habe ich bislang ein einziges Mal etwas geschenkt: ein winzig kleines Dunhill-Feuerzeug aus Silber; ihr ist nämlich ihr Dunhill bei einer Einladung zum Tee abhanden gekommen; am Morgen fragte sie telefonisch bei der Dame des Hauses an, ob ihr

Weitere Kostenlose Bücher