Die Liebe am Nachmittag
jeden Fall freut sich Iboly, dass der alte Bél auch sie schon auf seiner Rechnung hat. Natürlich wäre es ein noch größeres Glück, wenn sie gleich ein Engagement in Pest bekommen könnte; bei der Prüfungsaufführung wird ja die ganze Riege der Theaterdirektoren und Regisseure anwesend sein; wenn ihr der liebe Gott ein wenig Glück beschert, könnte ihr Name vielleicht schon im Herbst auf den Theaterplakaten der Litfasssäulen prangen.
Sie schloss die Augen und sagte leise ihren Namen vor sich hin.
»Ach«, sprach sie verklärt, »ist das nicht wie im Märchen?«
Doch schränkt sie auch gleich wieder ein: ob es nicht vernünftiger wäre, für ein Jahr in die Provinz zu gehen. Manche Begabung unter den Absolventen meint, sie möchte am Anfang gar kein Engagement in Pest, um hier in Minirollen ihre Zeit zu verplempern, und wer weiß, wann man, wenn überhaupt, hier richtig zum Zug kommt; sie sagt, sie ginge freudig für ein, zwei Jahre zu einer Provinzbühne, wo sie von Anfang an Soubrette oder Naive sein könnte; irgendwann findet sich dann ein Theaterdirektor aus Pest ein, entdeckt und engagiert sie an sein Haus; so wäre man auf einen Schlag auch in Pesteine »Arrivierte«. Aber im Ernst, was würde ich vorschlagen, wäre es nicht besser für sie, sagen wir, ein Jahr lang in Miskolc oder in Pécs zu spielen?
Und sie begann zu träumen:
»Wissen Sie, ich könnte bei einer Familie wohnen, mit separatem Eingang, mein Zimmerchen wäre immer voll mit Blumen, und vor dem Fenster würde ich eine weiße Spitzengardine haben; ich könnte mir eine Bleibe mit Blick auf einen reizenden kleinen Garten suchen, würde mir ein Grammofon zulegen, auch viele viele Bücher, und wäre den ganzen Nachmittag für mich, zu Hause. Ihnen schreibe ich viele schöne Briefe. Sie müssten jeden Samstag kommen und bis Montag bei mir bleiben, so viel Zeit hätten Sie doch gewiss, mich würde es überglücklich machen. Mein Gott, wie stolz ich wäre! Und wie wunderbar, auf Sie zu warten, immer und immer. Die halbe Gage könnte ich sparen, Quartier und Verpflegung kosten in der Provinz nicht viel. Gut, die Kleider! Der Direktor kommt für die Garderobe ja nicht auf. Wovon soll ich all die Kleider und Capes kaufen, von denen man auf der Bühne so viele benötigt.«
Ihre Augen wurden groß und fragend. Ich hörte einen schwachen Seufzer. Ihre Träume strandeten an dieser Klippe.
In der Dämmerung, als wir hinausgingen, kam ihr in den Sinn, am Rande des Friedhofs ein vierblättriges Kleeblatt zu suchen. Es gab da im Gras ein paar Flecken mit Klee.
»Warten Sie, lassen Sie mich mein Glück suchen.«
Ich warte.
Sie hockt sich nieder, schaut, beugt sich hierhin und dorthin, dreht ihr Köpfchen, als suchte sie einen abgesprungenen Hemdknopf.
»Ah, schauen Sie doch!«
Eine Ameise läuft ihr über den Finger. Dann macht ihr ein Sonnenkäferchen Freude, das sich auf ihre Hand setzt und sie beglückt.
Pass auf, Iboly, dein Kleid.
Im Klee gibt es auch allerlei stacheliges Unkraut.
Sie kriecht förmlich in die Wiese hinein; mit der Nase ganz hart am Boden, bewegt sie sich schrittweise in der Hocke voran, als ob sie gehbehindert wäre.
»Also, das ist doch wirklich ein Wunder, wie selten dieser vierblättrige Klee ist.«
Ich gehe ebenfalls in die Hocke und helfe ihr suchen.
»Jetzt bin ich gespannt, wer von uns als Erster einen findet.«
Halt, hier bitteschön!
»Aaah, Sie Schwindler!«
Ich reiche ihr den gewöhnlichen dreiblättrigen Klee.
Lach nicht, Ibi. Schau doch, wie schön und wohlgeformt dieses dreiblättrige Kleeblatt ist. Ich finde es geschmackvoller als ein vierblättriges. Das sieht doch, bitteschön, aus wie ein Kalb mit fünf Beinen. Eine Missgeburt,nicht wahr? Wer weiß, wie es sich überhaupt anfühlt. Wer weiß,ob es Glück bedeutet, vierblättrig zu sein. Sieh doch. So sympathisch, so harmonisch sind diese drei kleinen Blättchen an ihrem Stiel. Ich mag lieber dieses natürliche und nicht das vierblättrige Kleeblatt. Lass uns doch einfach dies als Glücksbringer aufbewahren, reich mir mal dein Retikül.
38. Nacht
Was hat wohl jener Mensch im gerade vergangenen Augenblick gedacht, jemand, der gesenkten Blicks, mit schleppenden Schritten, die Augen in die schmutzige Farbe des Asphalts versenkt, auf der Straße geht, der, wenn ihn ein anderer hemmungslos grüßend aus seinen Gedanken zerrt, den Kopf hochreißt und mit verstörtem Gesicht »Habe die Ehre« murmelt?Was mag sich in den Köpfen derjenigen abspielen,
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