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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Bart hoch und presste ihn auf seine Oberlippe. Ein spitz gezwirbeltes Bärtchen, wie es schelmische ältere Herren zu tragen pflegen.
    »Ich, mein Herr, lege für diese anderthalb Stunden mein Charakterbärtchen ab, denn mit einem solchen Bart im Gesicht wird einem nur noch wärmer.«
    Er griff nach einem Handtuch, die Farbspuren darauf waren so zahlreich wie auf der Palette eines Malers. Die beiden Enden festhaltend legte er es der Länge nach auf den angepappten Bart und presste ihn, indem er die Ellbogen waagrecht auseinanderzog, an seine Lippen. Und jetzt sagte der Herr Professor, das verbitterte mundlose Mimengesicht mir zugewandt, als spräche er von außerhalb, jenseits der Tür:
    »Was das Mädchen angeht, mein Herr, können Sie ganz beruhigt sein. Ich werde sie in die Rolle so hineinrütteln und sie wird sich auf der Bühne bewegen, als stände sie schon zehn Jahre auf den Brettern. Ab morgen arbeiten wir auch im Einzelunterricht, und ich bin überzeugt, mein Herr, auch Sie werden das Ihre dazu beitragen, dass die Gazetten anständig mit ihr umgehen. Mit diesem Backfisch, mein Freund, werden Sie noch viel Freude haben.«
    Es klingelte.

37.   Nacht
    Grüß dich, Iboly.
    Ich weiß nicht, manchmal merke ich an meiner Stimme, dass meine Fröhlichkeit plötzlich passé ist, mich irgendetwas bedrückt, was mir bislang gar nicht bewusst war. Ungefähr so, wie wenn an einem Sommertag die Sonne hinter Wolken verschwindet und die Luft ihren heiteren Schimmer verliert, man das aber erst gewahrt, wenn man sich umgesehen hat.
    Mich stimmt es immer fröhlich, wenn Iboly sich einfindet, ich fühle mich wie als Kind,wenn das Licht angemacht wurde.
    Und heute, als ich ihr nach der Visite bei Professor Tatai erstmals wieder begegne, bin ich irgendwie verstimmt.
    Sie kann mich, während wir uns die Hand geben, mit ihren funkelnden Augen so eindringlich, so heftig anstrahlen, trinkt meine beiden Augen buchstäblich bis auf den Grund leer.
    Einmal verkündete sie mitten auf dem Trottoir:
    »Wie dumm,dass die Leute Seite an Seite gehen; dabei sehen sie einander doch viel weniger als alle anderen. Man sollte lieber so gehen, schauen Sie mal.
    Und sie führte es augenblicklich vor: Sprang vor mich hin,begann, den Blick mir zugewandt, rückwärts zu schreiten, und sie lachte dazu wie ein Kind:
    »Ist es so nicht viel schöner? So sehen wir uns doch von Angesicht zu Angesicht.«
    Kindskopf, pass auf!
    Denn sie landete mit dem Absatz fast auf dem Fuß einer Dame.
    Ich habe an Iboly meine Freude, selbstverständlich; jede Woche war es mir ein dringendes Bedürfnis, Ihro Lieblichkeit zu sehen.
    Doch heute habe ich, wie gesagt, ein Problem.
    Sie trägt das Textbuch unter dem Arm. Einen Augenblick bleiben meine Augen daran hängen. Ich merke, dass ich ein klein wenig Mitleid empfinde.
    Und etwas ganz Unerwartetes durchdringt mein Bewusstsein, ein Anflug von Fremdheit, so als wäre diese Iboly nicht dieselbe, von der ich mich vor drei Tagen verabschiedet habe.
    Ein kleiner, gebügelter weißer Kragen säumt ihre Bluse.
    Sieht fantastisch gut aus, dieses Krägelchen, Iboly.
    Ich übernehme ihre überschwänglichen Attribute aus Anhänglichkeit; für sie und all diese armen Heutigen ist alles fantastisch, jedes bisschen Schönes und Schmackhaftes ist gleich grandios und fantastisch!
    »Ja, gefällt es Ihnen? Das freut mich.«
    Ach Iboly, gehen wir vielleicht heute einmal nicht zum Friedhof. Den musst du doch schon satthaben. Gehen wir lieber in den Rakovszky-Park. Da gibt es in der Nähe auch eine nette Konditorei.
    »Nein,auf keinen Fall! Da kann man vielleicht gar nicht lernen. Ich mag den Friedhof doch so gern und hab ihn gar nicht satt. Mit dem Großvater,der unter unserem Stein schlummert, bin ich schon richtig gut Freund. Er würde es sicherlich übel nehmen, wenn wir heute nicht kämen.«
    Gut, dann gehen wir zum Großvater.
    »Wir könnten doch zu Fuß über die Brücke laufen. Es ist so schön, über die Donau zu spazieren.«
    Gut, wir steigen drüben in Buda in den Bus.
    Auf der Brücke tippe ich im Takt den Rohrstock vor meinen Schuh. So leicht dieses Spazierstöckchen ist, so schwer wird mir allmählich das Herz.
    Allzu viel Ernsthaftes kam an diesem Tag bei unserem Unterricht im alten Friedhof nicht mehr heraus.
    Da und dort habe ich Iboly noch ein wenig korrigiert, aber nur um meinen abgeflauten Eifer zu kaschieren.
    Ich hatte es satt, all das, was ich vor drei Tagen gehört habe, nochmals zu hören; es fiel mir schwer, mich

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