Die Liebe atmen lassen
»hochkochen«. Eine Hand, eine Aufmerksamkeit, ein Wort berührt die Seele und setzt ihre Energien in Bewegung, und dies umso stärker, je mehr die Berührung von einer Seele kommt, die ein Element ihrer Hingabe darin sieht, etwas von ihrer Energie abzugeben. Damit die Energien fließen können, müssendie Seelen ihren Rückzugsort im Körper jedoch verlassen, zumindest partiell; die Öffnungen der Sinnesorgane stehen dafür zur Verfügung, durch sie brechen die Energien hervor: Durch die strahlenden Augen, den lächelnden Mund, das gesprochene Wort, den Vertrauen erweckenden Duft, den kulinarischen Geschmack, die streichelnde Hand oder die Berührung der Lippen bei der beglückenden Erfahrung eines Kusses, der die Gefühle in Wallung bringt wie kaum etwas sonst und die Liebenden in eine Trance versetzt, in der sie sich und ihre Umgebung vollkommen vergessen.
Durch die gesamte Oberfläche der Haut, auf der die Energien aufleuchten, und durch alle Sinnesorgane dringt die Energie der Seele umgekehrt in die Seele des Anderen ein, der berührt wird, das Strahlen und das Lächeln sieht, die Tonlage des gesprochenen Wortes hört, den Duft einatmet, den Geschmack kostet, Hand und Lippen spürt. Wechselseitig wissen Liebende in ihren Gesichtern zu lesen und Mimik und Gestik daraufhin zu deuten, wie es energetisch um ihre Beziehung steht. Die Art, in der sie sich berühren, kann dabei nicht immer nur angenehm ausfallen, sondern lebt erneut von Kontrasten: Das Stirnrunzeln berührt auf andere Weise als das Lächeln, der hässliche Anblick setzt die neuerliche Sehnsucht nach etwas Schönem frei, der Krach schärft die Sinne für Wohlklänge, der eklige Geruch oder Geschmack setzt Fliehkräfte frei, und zuletzt markiert die unerwünschte, zudringliche, gewaltsame Berührung eine absolute Grenze, die zu respektieren ist.
Über das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten hinaus werden seelische Energien auch durch einen sechsten Sinn vermittelt, den Bewegungssinn, der die Bewegungen des Körpers registriert und reguliert, von denen der Anderewiederum angenehm oder unangenehm berührt wird. Und tief im Körper dient ein siebter Sinn , der innere Körpersinn des »Bauchgefühls«, des In-sich-Spürens, dem Austausch von Energien zwischen Liebenden, auch zwischen Freunden, in geringerem Maße zwischen Menschen, die weniger innig miteinander verbunden sind: Tausende von Sensoren im gesamten Körper, vor allem aber im Bauchraum scheinen dabei als »Antennen« zu fungieren, über die Energie ausgestrahlt und empfangen werden kann; über belanglose und beträchtliche Räume und Zeiten des Getrenntseins hinweg ermöglichen sie, sich voneinander umhüllt zu fühlen und in Resonanz zueinander zu sein. Immer dann, wenn die Seelen auf scheinbar »übersinnliche« Weise miteinander kommunizieren, ist dieser Sinn aktiv, der feinste energetische Bewegungen im Einzelnen und zwischen Menschen erfassen kann. Insbesondere mit dem siebten Sinn empfinden Menschen die Hitze in einer aufgeladenen Atmosphäre, die Kälte in einer augenblicklich gefrierenden, und sie können wahrnehmen, was zwischen ihnen »in der Luft liegt«, wo »Funken überspringen« und wo nicht. An den Anderen zu denken, mit ihm zu fühlen, erfüllt ihn mit Energie, die ihn »wärmt«; wird sie ihm entzogen, fühlt er sich allein in einem leblosen, leeren Raum und ihm wird »kalt«. Spuren hinterlässt dies in der Hirnregion des Inselcortex , der nicht nur auf physikalische Wärme, sondern auch auf die »menschliche Wärme« reagiert, die durch verschiedene Arten von Berührung entsteht.
Bereits auf körperlicher Ebene trägt die Kunst der Berührung zum kunstvollen Umgang mit der Seele bei, denn der großen Schwierigkeit im Umgang mit diesem nebulösen Gebilde, es überhaupt zu fassen zu bekommen, kann die körperliche Berührung abhelfen: Auf dem Umweg über den Körper ist dieSeele gut zu erreichen, in einer Art von angewandter Psychosomatik, bei der für die Psyche , die Seele, Soma , der Körper, als Ansatzpunkt gewählt wird, um Rückwirkungen auf die Seele zu erzielen. Die Energien der Seele, die ins Stocken geraten sind, lassen sich durch eine Berührung, die ganz an der Oberfläche der Haut bleibt und doch viel tiefer geht, wieder in Fluss bringen. Die Bearbeitung einer körperlichen Verspannung kann seelische Verspannungen auflösen, die Seele wieder öffnen und zur Äußerung von Gefühlen und Gedanken ermuntern: Die Physiotherapeuten aller Schulen wissen das. Die
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