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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Magen geht, und ihn so zärtlich zu berühren, dass er nicht widerstehen kann, um ihm schließlich die gesteigerte Berührung zu gestatten, nach der er sich sehnt, und ihm wirklich Sex zu gewähren. Die Erpressung aber setzt damit ein, ihm jeden schönen Anblick zu verweigern, die Stimme zu erheben und gewaltsam in seine Ohrgänge vorzudringen, ihm jedes Duftarrangement zu verweigern, ihn nach Essen und Liebe hungern zu lassen, jeden Berührungsversuch unsanft zurückzuweisen, erst recht den einen (»mach’s dir doch selber«). Besonders perfide ist es, ihm alle Lust der Welt in Aussicht zu stellen, um sie ihm dann zu entziehen und nur noch dosiert zu gönnen, verbunden mit einem subtilen System von Belohnung und Bestrafung, ihm schließlich keinerlei körperliche Präsenz mehr zuzugestehen oder ihn umgekehrt mit hemmungsloser körperlicher Gewaltanwendung zu traktieren.
    Auf der seelischen Ebene werden wirkliche oder gespielte Gefühle, die positive Gefühle des Anderen hervorrufen sollen, zu Machtinstrumenten der Verführung . Die betonte Zuwendung von Energie in Form von Aufmerksamkeit, Freude undZärtlichkeit wirkt auf den Energiehaushalt des Anderen ein und stellt ihm »Wärme« zur Verfügung. Das höhere Energieniveau macht es ihm leichter, seinerseits dem Selbst entgegenzukommen, dessen Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu befriedigen, körperlich, seelisch, geistig oder auch nur materiell. Die Erpressung aber setzt mit negativ aufgeladenen, wiederum wirklichen oder gespielten Gefühlen ein, um positive Gefühle des Anderen unmöglich zu machen. Die betonte Abwendung von Aufmerksamkeit, die Äußerung von Ärger und Zorn soll den Anderen energetisch auf Entzug setzen und eine plötzliche »Kälte« über ihn hereinbrechen lassen. Im Dschungel der Gefühle zeigt sich dabei jeder und jede fähig zu Niedrigkeiten, die er oder sie selbst nie zuvor an sich kannte. Diverse Varianten psychischer Gewalt dienen dazu, dem Anderen auch Schmerz zuzufügen, ihn »leiden zu lassen«, um den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen und sie durchzusetzen, und seien es hormonelle Interessen, die sich dem bewussten Zugriff entziehen. Sogar Krankheit kann als Mittel der Macht eingesetzt werden, um den Anderen zu einem Entgegenkommen zu nötigen – und zuletzt erfüllt die Drohung mit Selbsttötung diesen Zweck.
    Auf der geistigen Ebene fungieren der Austausch von Gedanken und der Einsatz von Argumenten als Formen der wechselseitigen Einflussnahme, vorausgesetzt, dass beide sich darauf einlassen. Ein unverdächtiges, äußerst wirksames Mittel der Verführung ist das Verständnis, das einer dem Anderen entgegenbringt, ein rabiates Mittel der Erpressung hingegen, ihm jedes Bemühen um Verständnis zu verweigern, ihm gar jede geistige Kompetenz abzusprechen, garniert mit spitzen Bemerkungen (»so blöd kannst nur du sein«) und anderen gezielten »Nadelstichen« bis hin zum Gesprächsentzug, umjeden »Kontakt« auf unbestimmte Zeit abzubrechen. An die Stelle des Kontakts tritt die verschärfte Kontrolle des Anderen, um ihm vorhalten zu können, was er alles »falsch macht«, und die boshafte Spiegelung seines Verhaltens, die ihm vorführen soll, wie unzumutbar es ist: Wenn schon nicht Gedanken und Argumente, so sollen Kontrolle und Spiegelung ihn zur Umkehr bewegen. – Selbst die Ebene der Transzendenz ist vom Machtspiel nicht ausgenommen und kennt die Verführung , die darauf hinausläuft, bestmögliche Voraussetzungen für ekstatische Unendlichkeitserfahrungen zu schaffen, die den Anderen überwältigen sollen, sodass sich im Gegenzug eigene Wünsche besser platzieren lassen, denn wenn alle Dämme brechen, wird alles möglich. Die Erpressung hingegen besteht darin, den Anderen auf seine Endlichkeit zurückzuwerfen, jegliche Voraussetzung für das mögliche Entstehen von Ekstase und Transzendenz zu torpedieren, sei es die körperliche Berührung, das Aufwallen von Gefühlen oder der Austausch von Gedanken; ihn geradezu metaphysisch leiden zu lassen und einer kosmischen Einsamkeit auszusetzen, selbst auf die Gefahr hin, dass er sich in ihr verliert.
    Statt die Spiele der Macht zwischen zweien zu ignorieren, die zur erwünschten harmonischen Einheit nicht passen wollen, erscheint es sinnvoller, die nötige Aufmerksamkeit auf sie zu wenden. Das Grundproblem der Macht , das sich auch in der Liebe bemerkbar macht, benennt Montesquieu schon im 18. Jahrhundert einfach und klar: Die »ewige Erfahrung« besage, »dass jeder

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