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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Lektionen des Leidens ein Wissen davon, dass dort, wo Liebe ist, die Macht nicht weit ist, Macht verstanden als Möglichkeit zur Einflussnahme auf etwasoder jemanden , ein Aspekt von Energie. Bereits die Möglichkeit dazu ist wirksam, nicht erst die Wirklichkeit, und nicht nur absichtsvoll, sondern auch absichtslos wird Macht ausgeübt: Was der Betroffene als Liebesentzug wahrnimmt, kann auch ein Nicht-mehr-lieben-Können sein, das dem vormals Liebenden selbst nur widerfährt. Interessant aber ist Macht, um eigene Interessen, Wünsche und Bedürfnisse geltend machen zu können, Stärke zu empfinden, mit der Reichweite des Einflusses das eigene Selbst zu erweitern und Sinn zu gewinnen, denn Macht stellt einen starken Zusammenhang her zwischen dem Ausübenden und demjenigen, über den sie ausgeübt wird: Daher auch die große Versuchung, mit Macht noch Zusammenhänge zu erzwingen, die anderweitig nicht mehr zustande kommen. Von der Machtausübung, die sich grundsätzlich durch Wechselseitigkeit auszeichnet, sind jedoch Herrschaftsverhältnisse zu unterscheiden, für die Einseitigkeit typisch ist: Der Herrschende kann ständig durchsetzen, was er will; er macht sein Gegenüber zum Opfer, dessen Ohnmacht selbst den Skeptikern der Macht vor Augen führen sollte, wie wenig ratsam es ist, ohne jede Macht, ohne eigene Möglichkeit der Einflussnahme zu sein.
    Bei vielen Liebenden herrscht die Überzeugung vor, in ihrer Beziehung habe Macht nichts zu suchen. Das ist erfreulich, kann sich aber rasch ändern, wenn ihre Interessen, Wünsche und Bedürfnisse nicht mehr übereinstimmen und beide darüber nachsinnen, wie der je Andere zur »Einsicht« gebracht werden kann. Das Umschlagen in Macht wird davon begünstigt, dass der Liebe selbst von Grund auf Macht nicht fremd ist: Die Macht der Liebe zeigt sich im Einfluss, den sie auf einen Menschen ausübt, sobald sein Begehren nach dem Anderen Besitz von ihm ergreift; die ungewöhnlichen Energien, diedabei frei werden, fördern Eigenschaften zutage, die er oder sie an sich selbst gar nicht kannte. Als »Himmelsmacht« wird die Liebe erfahren, wenn sie eine Ermächtigung für die Liebenden darstellt, sodass sie sich gemeinsam stärker fühlen können als einer für sich allein: Weit über die bloße Addition zweier Kräfte hinaus sehen sie sich in der Lage, alles in Frage zu stellen, alles in Kauf zu nehmen. Als »höllische Macht« tritt die Liebe hingegen auf den Plan, wenn sie zur Entmächtigung der Liebenden führt, da sie einer unheilvollen, diktatorischen Herrschaft ihrer Gefühle erliegen.
    In vielen Fällen folgen aus Unterschieden in der Intensität, mit der die Liebenden lieben, auch Unterschiede in den Machtverhältnissen zwischen ihnen: Im selben Maße, in dem ich Gefühle im Anderen wecken kann, die sich auf mich beziehen, gewinne ich Macht über den Anderen , für den die Erwiderung seiner Liebe, die Befriedigung seines Begehrens und anderer Wünsche und Bedürfnisse nun ganz in meiner Hand liegen. Dasselbe gilt grundsätzlich für die Macht des Anderen in Bezug auf mich, sodass ein eigenartiges Überkreuzverhältnis entsteht: Mehr Macht hat der, der weniger der Macht der Liebe unterliegt, also weniger auf den jeweils Anderen angewiesen und weniger verletzlich ist, weniger zu verlieren hat und meist auch weniger wahrnimmt, ob er dem Anderen wehtut. Weniger Macht hat der, der mehr liebt und somit verletzlicher ist, auch den Verlust der Liebe fürchten muss und dem Anderen nicht wehtun will, es aus Verzweiflung aber womöglich doch tut: Nicht selten resultieren Versuchungen der Macht aus Erfahrungen der Angst, etwa der Angst desjenigen, der zu sehr liebt, vor dem Verlassenwerden; er besiegt sie äußerstenfalls mit dem Verlassen des Anderen, zumindest mit der Drohung, es zu tun.
    In vielerlei Formen und auf allen Ebenen finden Spiele der Macht zwischen zweien statt, ein Hin und Her der versuchten Einflussnahme, nicht immer in offen erkennbarer Form, denn auch mit Umwerbung, Versprechungen und subtilen Formen der Verführung wird dabei gearbeitet; deutlicher erkennbar sind Verstimmung, Androhungen von Liebesentzug und heftigere Formen der Erpressung. Auf der körperlichen Ebene , der Ebene der Sinnlichkeit, beginnt das Spektrum der Verführung damit, dem Anderen den Anblick zu bieten, den er sich wünscht, ihn zu locken mit den Schmeicheleien, die er gerne hört, ihn mit Düften zu betören, die er gerne riecht, ihm das Essen zuzubereiten, mit dem die Liebe durch seinen

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