Die Liebe atmen lassen
wie er sich in diesem Rahmen fühlt und verhält, soll ihm ermöglichen, Hemmnisse zu erkennen, die einen befriedigenden Austausch mit Anderen verhindern, und ihn befähigen, das eigene Verhalten zu verändern. Die Systemische Therapie , in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts von Gregory Bateson, Paul Watzlawick, Virginia Satir, Helm Stierlin und Anderen begründet, versucht ihrerseits, den Einzelnen im Beziehungsgefüge (»System«) seines Umfeldes wahrzunehmen und die jeweilige Konstellation so zu modifizieren, dass sie für alle Beteiligten lebbarer wird.
Große Popularität gewann im ausgehenden 20. Jahrhundert das »Familienstellen«, das in der theatralischen Darstellung einer Konstellation durch reale Personen die Zwangsläufigkeit des Verhaltens aller sichtbar macht. Der zeitweilig daraus hervorgegangene Kult fand kritische Würdigung (Werner Haas, Familienstellen: Therapie oder Okkultismus? 2005), denn die Beteiligten neigen dazu, sämtliche Probleme des Lebens mit der jeweiligen Konstellation zu identifizieren. Diese zu kennen, versetzt den Einzelnen noch lange nicht in die Lage, sich freier in ihr zu bewegen, sondern liefert ihn womöglich erst recht einer ausweglosen Situation aus; wichtig ist daher, auch die Veränderung von Rollen einzuüben, die eine Veränderung der Konstellation möglich macht. Hilfreich ist die Arbeit von Theatergruppen, die professionell oder mit Laiendarstellern Konstellationen dramatisieren, um ihr Funktionieren besser zu verstehen und andere Möglichkeiten ins Spiel zu bringen. Die gespielten Szenen geben Aufschluss über die Zwänge im Rahmen einer Konstellation, aus denen die immer gleichen Konflikte resultieren. Stets wiederkehrende Szenen werden dargestellt (»Alltag unter der Lupe«), durch gezielte Modifikationen variiert und so von Version zu Version weiterentwickelt. Es ist ein »Theater der Erfahrung«, bei dem der Einzelne seiner eigenen Rolle, auch seiner Ratlosigkeit zusieht und lernt, wie er sich anders verhalten kann, nicht abstrakt, sondern konkret, in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit.
Auf der Bühne ist die Methode im Grunde nicht neu: In Theaterstücken werden seit altersher alle denkbaren Konstellationen und ihre Konsequenzen durchgespielt; auf moderne Liebesverhältnisse hat sich dabei Arthur Schnitzler spezialisiert. Auch Drehbuchautoren und Filmregisseure gehen von regelrechten Versuchsanordnungen aus, etwa Claude Chabrol, dessen gesamtes Werk als ein Studium von Konstellationen verstanden werden kann: In seinem Film Die zweigeteilte Frau (Frankreich 2007) lässt sich die junge Gabrielle auf den älteren Charles ein, der sich aber von seiner Ehefrau nicht trennen will, sodass Gabrielle enttäuscht auf Paul umschwenkt, der aber noch sehr an seiner Mutter hängt, für die Gabrielle kein Ersatz sein kann, da sie ihrerseits, vaterlos aufgewachsen, nach Halt sucht. Diesen Kern umspielen einige periphere Beziehungen, und abgesehen von der äußeren Konstellation haben alle Beteiligten zudem mit ihrer inneren zu tun; fatale Verwicklungen und Kettenreaktionen nehmen so ihren Lauf, die moderne Version einer antiken Tragödie. Im 21. Jahrhundert kann aber auch jeder selbst Regie führen, um mit elektronischer Hilfe Versuche mit Konstellationen anzustellen: Computerspiele ermöglichen Simulationen, in denen der Spieler das Leben so arrangieren kann, wie er es sich vorstellt; die virtuellen Mitspieler, die er mit Äußerlichkeiten, Charakterzügen und Lebenszielen ausstattet, verfügen wie im wirklichen Leben über ein Erinnerungsvermögen, das ihr Verhalten beeinflusst. In dieser Objektivierung ist das Spiel, das Menschen mit- und gegeneinander spielen, besser zu durchschauen, Konstellationen lassen sich auf ihre Stärken und Schwächen hin erproben, mögliche Komplikationen sind vorweg in Erfahrung zu bringen, Grenzen des Verhaltens spielerisch zu überschreiten, bevor die Folgen in der Realität spürbar werden.
Das Spiel von Zufall und Notwendigkeit im Rahmen einer Konstellation wirft allerdings Fragen auf: Wie können ohne jedes ersichtliche Zutun Zufälle des Sagens und Sich-Verhaltens, die auch anders hätten ausfallen können, zu Notwendigkeiten werden, die nicht mehr anders sein können? Konstellationen scheinen eine eigene Schwerkraft zu entwickeln, die frei flottierende Zufälle anzieht, die in ihr Gefüge passen, andere abweist: Phänomen des Zufallsmagnetismus . Einblick in dieses Spiel zu gewinnen, ist die Voraussetzung
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