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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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voneinander entfernt und doch in Beziehung zueinander. Bereits zwei Menschen, die eine Beziehung eingehen, markieren die Eckpunkte einer Konstellation, und jeder, der hinzukommt, erweitert das Gefüge und vervielfältigt die Möglichkeiten der wechselseitigen Bezüge. Die einfache Vorstellung von einer Beziehung als Verbindung zwischen zwei Ichs kompliziert sich etwas dadurch, dass diese Ichs mit weiteren Ichs interagieren. Eine Konstellation besteht aus Kernbeziehungen , die als solche angesehen werden und sich oft von selbst aus dem Lebensvollzug ergeben, etwa wenn Charaktere gut zueinander passen. Kernbeziehungen entwickeln sich zwischen Liebenden, Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln, Geschwistern, engsten Freunden, Kollegen, Nachbarn und gegebenenfalls auch »Intimfeinden«. Zum Kern können Beziehungen zu Tieren gehören, die einem Menschen Rückhalt geben und zur Entspannung oder umgekehrt zur Verschärfung von Konflikten in einer Konstellation beitragen. Zum Kern zählen ferner Beziehungen zu Dingen,sowohl ideeller Art (Ideen, Werte, Sehnsüchte) als auch materieller Art (Auto, Fernseher, Computer), desgleichen Beziehungen zu einem Ort, einem Land, zur Natur, zu einer transzendenten, kosmischen oder göttlichen Dimension.
    Charakteristisch für den Kern einer Konstellation ist das Festhalten an Beziehungen durch alle Schwierigkeiten hindurch, und umgeben ist der Kern von peripheren Beziehungen unterschiedlichster Art, die den Einzelnen dauerhaft oder im häufigen Wechsel tangieren, nicht unbedingt im Innersten berühren: Mehr oder weniger kooperative Beziehungen der gewöhnlichen Freundschaft und Bekanntschaft, Verwandtschaft und Nachbarschaft, Beziehungen der gleichgültigen Funktionalität und der unbedeutenden Feindschaft. Einen unklaren Stellenwert haben in vielen Konstellationen die Ausschlussbeziehungen, über die oft nicht gesprochen wird, die aber sehr wohl präsent sind, sowie die virtuellen Beziehungen, deren Präsenz real, aber häufig flüchtig ist.
    Eine Konstellation wird dabei keineswegs nur vom äußeren Verhältnis der Beteiligten zueinander, sondern immer auch vom inneren jedes Einzelnen zu sich selbst geprägt, von seiner inneren Konstellation mit bewusst oder unbewusst definierten Eckpunkten des eigenen Kerns, die dafür sorgen, dass jedes Einzel-Ich in sich selbst wiederum aus zahlreichen Detail-Ichs besteht, markiert von den wichtigsten Beziehungen, Sehnsüchten, Erfahrungen, Gewohnheiten, Charakterzügen, Werten, Wunden, Schönheiten, und von zahlreichen peripheren Punkten. All diese Punkte unterhalten nicht etwa nur Binnenbeziehungen zueinander, sondern auch Außenbeziehungen zu den diversen Punkten Anderer, und zwar jeder einzelne in Eigenregie, sodass die Frage ist, welcher Punkt in welchem Selbst mit welchem Punkt in welchem anderen Selbst zu gegebenerZeit in welcher Beziehung steht. Eine Liebenswürdigkeit des Selbst trifft beim Anderen auf Gegenliebe; ein einzelner Charakterzug etwa des Übermuts begegnet seiner Besonnenheit, verbündet sich mit ihr, scheitert an ihr oder setzt sie außer Kraft; ein Bedürfnis nach Anerkennung hakt bei der Bereitschaft zur Bewunderung ein, ein Streben nach Dominanz bei dem nach Unterordnung; eine Sehnsucht nach Bindung harmoniert mit ihresgleichen, bevor bei einem der Beteiligten die Sehnsucht nach Freiheit die Oberhand gewinnt und er »wie ausgewechselt« erscheint. Die engen Wechselwirkungen sorgen dafür, dass jede Veränderung einer inneren Konstellation auch die Außenbeziehungen in kurzer Zeit »kippen« lassen kann. Mit jeder Arbeit an seiner inneren Konstellation nimmt das Selbst daher Einfluss auf die äußere, auf die Beziehungen zu Anderen und zwischen ihnen, die im Gegenzug wiederum Einfluss auf das Selbst ausüben.
    In keinem Fall sind Konstellationen in sich geschlossene Gebilde, vielmehr überlappen sie sich wechselseitig, und das geschieht nicht konfliktfrei: Eine regelrechte Konkurrenz der Konstellationen entsteht, wenn die Kernbeziehungen des Selbst, die ihm sehr wichtig sind, für den Anderen, mit dem er lebt, allenfalls periphere Bedeutung haben, und umgekehrt. Nicht selten kommt es zwischen zweien zum Streit über den Stellenwert der Beziehungen, aber der Versuch, konkurrierende Konstellationen zur Übereinstimmung zu bringen, ist in aller Regel zum Scheitern verurteilt. Ein reiches Beziehungsnetz entsteht hingegen, wenn es gelingt, die Überlappung als wechselseitige Ergänzung zu verstehen: Mit verschiedensten

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