Die Liebe atmen lassen
Ressentiment zurückziehen, ist ein Indiz dafür, dass es noch Beziehungen zwischen den Geschlechtern geben kann, wenngleich unter anderen Vorzeichen als jemals zuvor. Aber was bedeutet das für die Männer? Haben sie sich neu zu erfinden? Die Klärung, was es heißen kann, ein Mann zu sein und wie veränderte männliche Rollen aussehen können, ist die Voraussetzung dafür, auf die Herausforderungen noch anders antworten zu können als mit einem endlosen Lamento oder einem gewaltsamen Festhalten an gewohnter Dominanz.Überlegungen dazu sollen die je eigene Besinnung anregen, nicht eine Wahrheit des Mannseins festschreiben.
Soweit Männlichkeit, wie Weiblichkeit, zu einem Teil eine Frage der Biologie ist, kann es hilfreich sein, einige der biologischen Bedingungen zu kennen, um sich damit zu befassen und beispielsweise von der persönlichen Dosis Testosteron möglichst verträglich für sich und Andere Gebrauch zu machen. Einfluss kann genommen werden auf die Zahl der Neuronen und ihre bessere Vernetzung mithilfe von geistiger Arbeit und mit dem Bemühen um größere hermeneutische Beweglichkeit; auch die im Gehirn angelegte »Kommunikationskompetenz« ist dank Neuroplastizität mithilfe von Übung noch verbesserungsfähig. Was die kulturelle Prägung angeht, waren es lange Zeit Männer selbst, die ihre »Männlichkeit« in Entgegensetzung zu einer »Weiblichkeit« definierten, deren Eigenwert sie zugleich bestritten, mit allen politischen, rechtlichen und lebenspraktischen Konsequenzen. Sich gegen ein »schwaches Geschlecht« zu stellen, diente dazu, sich selbst stark zu fühlen und keinen Gedanken darauf zu verschwenden, dass Schwäche und Stärke relative Begriffe sind, relativ zu kulturellen und individuellen Interpretationen. Auch Abänderungen der kulturellen Prägung kann jedoch der einzelne Mann selbst mit individueller Interpretation und Variation vornehmen und beispielsweise mit der Einsicht, dass weibliche Anteile auch dem männlichen Selbst nicht gänzlich fremd sein müssen, darauf verzichten, den geschlechtlichen Gegenpol und dessen spezifische Perspektive abzuwerten. Mit Selbstaufmerksamkeit, Selbstkenntnis und Selbstdefinition kann jeder seinen eigenen Platz im Spannungsfeld zwischen Männlichem und Weiblichem, Mann- und Frausein, aber auch im innermännlichen Spannungsfeld finden.
Denn auch das Mannsein kennt eine geschlechtsinterne Polarität , und den gegensätzlich gepolten Männern ist die Zugehörigkeit zum selben Geschlecht nicht immer angenehm. Da ist einerseits der Mann, der seine Freiheit über alles liebt und kulturell sein Vorbild vielleicht in Don Juan/Don Giovanni findet, filmisch in Helden, wie sie von John Wayne oder Charles Bronson dargestellt wurden, auf ganz andere Weise von Charles Denner in Der Mann, der die Frauen liebte (Regie François Truffaut, Frankreich 1977). In moderner Zeit legt dieser Mann gesteigerten Wert auf seine Autonomie , die er konsequent auslebt, ein Drama für so manche Frau, die sich im Moment des Begehrens zu ihm hingezogen fühlt, um dann entsetzt zu sein, wenn er weiterzieht, sobald die Früchte des Begehrens heranreifen: Klagen über »die unzuverlässigen Männer« liegen nahe, aber Frauen wählen selbst den Mann, mit dem sie sich einlassen, wenngleich unter dem Einfluss biologischer Zyklen. Familie schätzt der autonome Mann am ehesten als Statussymbol und Hort seiner Macht. Den Gegenpol markiert der Mann, der Einschränkungen seiner Freiheit klaglos in Kauf nimmt und gerne an einer Bindung festhält. Gutmütig ist er bereit, über sich bestimmen zu lassen und für diese Heteronomie den Spott anders gepolter Männer zu ertragen, »Milchschaumschlürfer« und »Frauenversteher« zu sein. Erneut ist zwischen den Extremen viel Platz. Wie bei den innerweiblichen Polen sind auch bei den innermännlichen vielfältige Mischformen möglich (Dieter Schwanitz, Männer , 2001). Ein Mann kann beide Seiten in sich fühlen, und phasenverschoben können beide zum Vorschein kommen, auch ein dauerhafter Seitenwechsel ist möglich: In der Komödie Was Frauen wollen (Regie Nancy Meyers, USA 2000) sieht sich der Werbemanager Nick Marshall (Mel Gibson), eigentlich einMacho alter Machart, plötzlich mit der Gabe ausgestattet, die Gedanken der Frauen, die ihm begegnen, zu hören. So kann er sie damit überraschen, ihre Perspektive nachzuempfinden und auf ihre geheimen Wünsche und Befürchtungen einzugehen. Endlich versteht er besser, wie das Leben anders gesehen und
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