Die Liebe atmen lassen
bewältigt werden kann; er mutiert zum tollen Liebhaber und fürsorglichen Familienvater und entspricht damit dem mutmaßlichen weiblichen Idealbild eines Mannes am besten.
Die Kunst, ein Mann zu sein , beruht auf der individuellen Orientierung in diesem Spannungsfeld. Wann ist der Mann ein Mann? Wenn er seiner eigenen Idee vom Mannsein entsprechen kann, um ein »Mannsbild« zu sein: Darin besteht sein Glück. Auf dem Weg zur eigenen Idee ist es sinnvoll, sich mit archaischen Ideen des Mannseins auseinanderzusetzen, die der Einzelne sich nicht selbst ausgedacht hat, die er jedoch vorfindet und denen er womöglich unbewusst folgt. Er kann an ihnen bewusst festhalten, sie jedoch auch abändern: Etwa dass Mannsein heißt, stolz und machtbewusst zu sein, sich nicht lächerlich zu machen, die Wertschätzung seiner selbst zu bewahren und die Anderer zu gewinnen. Zweifellos geht es darum auch Frauen, oft jedoch verdeckter, psychischer , umwegiger, während Männer offener, physischer , auch auswegloser diesen Ideen folgen, bis hin zu Erscheinungsformen, die gravierende Differenzen innerhalb der Männerwelt selbst zutage treten lassen: Ein Mann kann peinlich berührt sein, wenn Stolz und Macht mithilfe archaischer Rituale exerziert werden, mit plumper Anmache, rücksichtsloser Grobheit, blödem Herumschreien, sinnlosem Betrinken, Androhen von Schlägen und wirklichem Zuschlagen. Männer, die damit nichts zu tun haben wollen, verdanken der modernen Befreiung von überkommenen Rollen selbst sehr viel. Zugleich prägen moderne Ideen dasMannsein, denen viele unbewusst folgen und die vielleicht zu korrigieren wären: Immer aktiv sein zu müssen, erfolgreich im Berufsleben, potent in der Liebe, verwöhnt vom Glück, stets auf der Seite des Positiven. In ihrer Unverrückbarkeit werden diese Ideen zum Problem, wenn Misserfolg, Krankheit, Unglück sich einstellen und nicht gut zu bewältigen sind, da sie nicht als Teil des Lebens gelten.
Eine archaische und zugleich moderne Idee des Mannseins, die zu überdenken sich lohnt, ist die Prinzipienfestigkeit , die glaubwürdiger wird, wenn sie nicht mit der Geringschätzung anderer Vorgehensweisen einhergeht. Sie mit mehr Einfühlung und Gespür, mehr Rücksicht und Umsicht zu praktizieren, könnte in modifizierter Form erneut eine männliche Stärke daraus machen. Neu zu überdenken wäre auch die Zielgerichtetheit des Denkens und Tuns, die den konzentrierten Einsatz von Energien möglich macht: Dass Männer Karriereleitern erklimmen können und Frauen nicht selten ein Problem damit haben, hat auch mit dieser Disposition zu tun. Die Idee bleibt sinnvoll, wenngleich nun nicht mehr nur für Männer, um Ziele nicht allzu vorschnell wieder aus den Augen zu verlieren. Zu korrigieren wäre allenfalls die männliche Einzieligkeit , die die Gefahr in sich birgt, in ein tiefes Loch zu fallen, wenn das Ziel nicht erreicht wird, und auch dann, wenn es erreicht wird und kein weiteres Ziel zur Verfügung steht. Eine wertvolle Idee kann weiterhin sein, sich auf dem Weg zum Ziel, und auch, wenn der Weg selbst das Ziel ist, um Exzellenz zu bemühen, das Beste zu geben und möglichst der Beste (»der Held«) zu sein. Die Erfahrung zeigt, wie erfüllend und anhaltend beglückend es sein kann, eine Rolle ganz und gar auszufüllen: Exzellenter Liebhaber, Ehemann, Vater, Freund zu sein, exzellent im Job, in Sport und Spiel, wenn auch nichtin allen Bereichen zugleich – sofern Exzellenz nicht mit Perfektion verwechselt wird, denn die Exzellenz erlaubt Fehler, aus denen gelernt werden kann, die Perfektion schließt sie aus.
Denkbare Modifikationen des Mannseins betreffen jedoch vor allem die Idee der Arbeit , den Dreh- und Angelpunkt des männlichen Selbstverständnisses in moderner Zeit, denn der Stolz auf die eigene Leistung, der Erwerb materieller Mittel, somit von Macht ist daran gebunden. Aber Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit; etliche weitere wichtige Arbeiten im Sinne von Anstrengung, Bewältigung, Gestaltung sind vielmehr zu leisten, zu einem guten Teil Frauen schon seit längerem vertraut: Zuallererst die Arbeit an sich selbst , die Pflege der Selbstbeziehung als Voraussetzung dafür, Beziehungen zu Anderen gründen und bewahren zu können. Diese Arbeit erfordert Selbstaufmerksamkeit , um sich über die eigenen Vorlieben und Abneigungen, Stärken und Schwächen klarer zu werden, und auch die antike Form der Selbsterkenntnis trägt zur besseren Selbstkenntnis bei: Erkenne, dass du ein Mensch bist,
Weitere Kostenlose Bücher