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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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richten. Niemand scheint gänzlich frei davon zu sein, schon gar nicht jemand, der sich frei davon wähnt und Anderen viel Gelegenheit zu leiden gibt (Cathérine Millet, Eifersucht , 2010).
    Gründe und Abgründe der Eifersucht können die Betroffenen nicht etwa nur »beschäftigen«, sondern quälen und rasend machen. Schon der Hauch eines Verdachts, der Blick des Anderen, der einen Moment zu lange auf einem Dritten ruht, die Viertelstunde, die er zu spät heimkehrt, die Einträge auf seiner Facebook-Seite lösen ein abgrundtiefes Misstrauen aus, das sich verselbstständigt, unabhängig davon, ob es gute Gründe dafür gibt. Im Falle objektiver Gründe , wenn der Andere durch seine Haltung und sein Verhalten die Beziehung tatsächlich in Frage stellt, ist die Eifersucht das Gespür, das frühzeitig vor der Gefahr warnt, alle Kräfte des Selbst alarmiert und mobilisiert und so noch ein Gegensteuern erlaubt. Ebenso wild kann die Eifersucht jedoch im Falle subjektiver Gründe toben, wenn das Problem eher darin liegt, dass der Eifersüchtige sich seiner selbst und seiner Liebe nicht gewiss ist und diese Ungewissheit in den Augen des Anderen zu sehen meint. Die große Schwierigkeit im Umgang mit dem Gefühl besteht darin, nicht immer genau zu wissen, worum es sich im Einzelfall handelt, zumal bei beiderlei Gründen noch mit Hintergründen zu rechnen ist: Eifersucht kann ein Indiz für die Liebe zum Anderen und geradezu ein Liebesbeweis sein, dennsie zeigt, wie fern dem Eifersüchtigen jede Gleichgültigkeit ist, die der eigentliche Tod der Liebe wäre. Die Eifersucht kann jedoch auch ein Indiz für die Liebe zum eigenen Selbst sein, die der Andere, der »zu mir gehört«, ungenügend bedient; das Selbst erhebt Ansprüche auf ihn, die nicht unbedingt der Liebe zu ihm entspringen, eher dem eigenen Machtanspruch, der mit forcierten Mitteln durchgesetzt wird (Bärbel Wardetzki, Eitle Liebe , 2009).
    In jedem Fall ist es ein phantasievolles Gefühl, das seine Spannung aus der ontologischen Spannweite zwischen bestehender Wirklichkeit und drohender Möglichkeit bezieht; die frei werdenden Energien können die des bewussten Selbst weit übertreffen, also übermächtig werden. Eine Kunst des Umgangs mit Eifersucht wird am ehesten möglich, wenn sie sich von vornherein mit den engen Grenzen bescheidet, die dem willentlichen Zugriff auf den Affekt gesetzt sind. Der Spalt der Einflussnahme wird größer, wenn die grundsätzliche Bedeutung des Phänomens Anerkennung findet, denn mit einem Phänomen, das bedeutungslos erscheint, lässt sich schlecht umgehen. Der Sinn der Eifersucht könnte sein, über die Lebensgrundlagen des jeweiligen Selbst zu wachen, zu denen seine engsten Beziehungen zu Anderen gehören. Das hat sich wohl im Laufe der Geschichte als Überlebensvorteil erwiesen, andernfalls hätte die Eifersucht die Evolution nicht überlebt. Wer eifersüchtig ist, ist süchtig danach, geliebt zu werden und ängstigt sich, diese Liebe zu verlieren, die dem eigenen Selbst Bedeutung gibt und den Fortbestand seiner wichtigsten Beziehungen garantiert. Nur so ist die auffällig tiefe Verankerung des Gefühls zu erklären, dessen Grundmuster so zuverlässig abrufbar ist, dass es auch grundlos aktiviert werden kann.
    Ein Bereitschaftspotenzial der zugrundeliegenden Ängste kannaus diesen Gründen nicht unterschritten werden: Versuche zur Eliminierung der Eifersucht sind selten von Erfolg gekrönt. Eher bewährt sich ihre Erotisierung , an der sich manche vorsätzlich oder unbewusst versuchen, um den Kick zu spüren, den ihnen die wiederkehrende Spannung in der Beziehung zum Anderen gibt. Die Energien wirken nur dann zerstörerisch , wenn keine lebbare Wirklichkeit mehr zustande kommt, aber schöpferisch , wenn es gelingt, mit ihrer Hilfe die bestehende Wirklichkeit spannender zu machen. Sie beleben die Beziehung durch mein wieder erwachtes Interesse am Anderen, auch durch meine Anstrengungen, ihn wieder für mich einzunehmen. Umgekehrt ist es dem Anderen möglich, sein Interesse an mir unter Beweis zu stellen und mir durch seine Anstrengungen jeden Grund für Eifersucht zu nehmen. Möglich ist ebenso, dass der Andere mit einer Anstachelung meiner Eifersucht, einem gezielten Blick, einer auffälligen Schwärmerei, einem gewagten Outfit beim Ausgehen mein Interesse an ihm zu »testen« trachtet. Ich wiederum vermag mit Eifersuchtsszenen eine eigene Macht gegen die Machtausübung des Anderen geltend zu machen, der sich vermeintlich oder

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