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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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wirklich Dritten zuwendet. Auf jede Weise ist die Eifersucht in der Lage, einen Mangel an Aufmerksamkeit füreinander wirksam zu beheben, sofern die Szenen nicht zur Regel werden, die die Aufmerksamkeit nur abstumpft und in anhaltenden Ärger verkehrt.
    Die zugrundeliegenden Ängste sollen das Selbst nicht allein beherrschen, denn das kann die Liebe irgendwann in Frage stellen. Damit der Eifer nicht zur Sucht wird, gilt alle Anstrengung der Mäßigung der Eifersucht , um sie innerhalb einer verträglichen Bandbreite atmen zu lassen. Zur Mäßigung bedarf es einer Selbstmächtigkeit , die eine Arbeit des Eifersüchtigen an sich selbst erfordert, unterstützt vielleicht von einer Freundin,einem Freund, Mentor, Coach oder Therapeuten (Andreas Bruck, Eifersucht bewältigen , 1992): Resultiert die Eifersucht aus einem übermäßigen Selbstbewusstsein , einer zu großen Selbstliebe, die den Anderen in Besitz zu nehmen trachtet, wird die Mäßigung durch Selbstmächtigkeit möglich. Liegt der Eifersucht im Gegenteil ein geringes Selbstbewusstsein zugrunde, sodass Selbstwert in zu hohem Maße aus der Wertschätzung durch den Anderen bezogen wird, kommt es darauf an, das Selbst zu stärken: So lässt sich durch die Wertschätzung für sich selbst die Abhängigkeit von der des Anderen verringern und die Leidenschaft für ihn besser in Grenzen halten, damit nicht das Gefühl der Abhängigkeit von ihm noch den Hass auf ihn befördert.
    Ist die »dunkle Leidenschaft« aber schon wirksam, tragen zu ihrer Mäßigung Ausdrucksformen bei, die für einen Moment auch zivilisatorische Standards hinter sich lassen dürfen: Wer schimpft und schreit und wild gestikuliert, lenkt die zerstörerischen Energien nach außen ab, bevor sie das eigene Innere zersetzen. Die Ethik der Liebe ist dabei behilflich, dem Ausdruck des Affekts beizeiten wieder Grenzen zu setzen, um nicht wirkliche oder vermeintliche Verletzungen durch den Anderen mit noch größeren Verletzungen, die ihm zugefügt werden, zu beantworten. Von unvorstellbaren Gewaltakten und Grausamkeiten, zu denen Menschen in rasender Eifersucht fähig sind, erzählen nicht etwa nur Filme, Romane und Theaterstücke wie Shakespeares Othello, der Mohr von Venedig , der aus Eifersucht die treue Desdemona ermordet, bevor er seinen Irrtum bemerkt und sich selbst richtet. Auch zahllose reale Dramen zeugen tagtäglich vom ruinösen Potenzial dieser Seite des Menschseins. Besänftigt werden können die überschießenden Energien schließlich durch die Erfahrungvon Schönem , nach dem willentlich gesucht wird, allein oder gemeinsam.
    Die Kunst des Umgangs mit Eifersucht fasst darüber hinaus den Maßstab der Treue ins Auge, der ein Anlass für mögliche und wirkliche Ängste sein kann. Seine Justierung ist nur zum Teil durch archaische Instinkte bestimmt, mit signifikanten geschlechtlichen Unterschieden: Männer scheinen eher auf die äußere, sexuelle Treue des Anderen Wert zu legen (weniger auf die eigene), Frauen scheinen eher die innere, seelisch-geistige Treue ihres Gegenübers im Blick zu haben (weniger die eigene). Dass in den Augen eines Mannes »seine« Frau keinen Sex mit Anderen haben soll, hat wohl mit dem möglichen Nachwuchs zu tun, der ihm als »Kuckucksei« untergeschoben würde. Dass in den Augen einer Frau »ihr« Mann keine Gefühle und Gedanken für Andere hegen soll, dürfte auf die Befürchtung zurückgehen, seine innere Bindung an sie könnte dadurch in Frage gestellt werden, mit der Folge neuer Lebensungewissheit. Aber der Maßstab der Treue kennt erstaunliche kulturelle Variationen , mit unterschiedlichen Vorstellungen beispielsweise in Nordeuropa und Südafrika, signifikanten Unterschieden zwischen ländlichen und städtischen Kulturen, oft verbunden wiederum mit geschlechtlichen Unterschieden, wenn Männern ein Verhalten erlaubt ist, das Frauen verboten ist (Hildegard Baumgart, Liebe, Treue, Eifersucht , 1988). Eine eigenwillige Lösung des Problems der Treue wurde in vereinzelten Kulturen etwa der Aborigines und der Inuit entwickelt: Begehrt einer die Frau des Anderen, kann dieser ihn mit einer zeitlich befristeten »Frauenleihe« zufriedenstellen, die in aller Regel als Frauentausch praktiziert wird (Günter Dux, Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter , 1992). Dem entspricht, auf beide Geschlechter erweitert, vermutlich der moderne»Partnertausch«, nicht selten handelt es sich dabei jedoch um ein Spiel mit dem Feuer.
    Innerhalb einer Kultur ändern sich die

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