Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
Vom Netzwerk:
Griechen, den »Danaern« in den Epen Homers, die Troja mit dem hölzernen Pferd trickreich eroberten: Solche Geschenke wecken freudige Erwartungen, die bitter enttäuscht werden, wenn etwa einer seine Liebe gesteht, bevor dem Anderen mit einiger Verzögerung die Last fürs Leben klar wird, die das für ihn mit sich bringt, da der Liebende vielleicht schon anderweitig gebunden ist. Ehrlicher sind Beleidigungsgeschenke , die ausdrücklich und unmissverständlich von einem Mangel an Sensibilität für den Beschenkten zeugen, ja, seinen Interessen und Vorlieben Hohn sprechen. Bleiben nur noch die Entsorgungsgeschenke , bei denen mit lässiger Geste verschenkt wird, was ohnehin weg sollte.
    Die Kunst besteht im richtigen Maß des Schenkens , das aber nicht feststeht, sondern zwischen einem Zuviel und Zuwenig atmet. Problematisch ist lediglich das anhaltende Über- und Untermaß: Ein unentwegtes Geben kostet zu viel Kraft, und der Gebende beginnt sich irgendwann innerlich leer zu fühlen, während womöglich auch seine äußerlichen Mittel schwinden. Nie zu geben, macht wiederum keine Freude: Es wirkt kleinlich und lächerlich. Das richtige Maß bedarf der Aufmerksamkeit des Schenkenden auf sich selbst und seine Bedürfnisse beim Schenken sowie der Aufmerksamkeit auf den Anderen und dessen Bedürfnisse. Es wird verfehlt, wenn dem Beschenkten jede Möglichkeit genommen wird, auf angemessene Weise zu antworten, sodass er das Geschenk als Zumutung oder Demütigung verstehen muss. Selbst dann, wenn der Schenkende wirklich nur schenken will und sich dabei wohl fühlt, kann der Beschenkte sich dennoch unwohl fühlen, da das verfehlte Maß des Schenkens das asymmetrische Verhältnis in der Beziehung zum Schenkenden bestärkt. Was im Übermaß geschenkt wird, wird im Übrigen rasch wertlos; das gilt wohl auch für die Liebe, die geschenkt wird. Eine Folgerung daraus kann sein, eine Beziehung nicht mit einer Flut von Geschenken zu belasten, welcher Art auch immer, sondern darauf zu achten, dass sie nicht zu Tode geschenkt wird. Zur Mäßigung trägt freilich das Leben selbst bei, das etwa die Gewissheit, die die Liebenden sich schenken, durch die Angst begrenzt, enttäuscht zu werden. Unversehens gleitet die Liebe in widersprüchliche Zustände hinein, und nur die Bereitschaft zur Hinnahme vermag sie auch durch diese Zeiten hindurch zu bewahren.

Widersprüche der Liebe:
Gewissheit und Angst, Treue und Verrat
    Eine Besonderheit der Liebe ist, dass sie Zwillinge gebiert, und regelmäßig sind sie von gegensätzlicher Art: Mit der Gewissheit , geliebt zu werden, wird zugleich die Angst geboren, dieses Privileg zu verlieren, sei es durch ein lächerliches Missverständnis oder einen ernsten Verlust, wenn der Andere zu lieben aufhört oder dem Zusammensein sonst wie zeitliche Grenzen gesetzt sind. Im Zustand der Gewissheit herrscht das Vertrauen vor, die Liebe währe ewig und selbst der Tod könne die Liebenden nicht scheiden. Aber dieser Zustand währt nicht ewig, vielmehr machen sich sporadisch, in manchen Beziehungen anhaltend, Ungewissheit und Angst breit, häufig im Verbund mit Erscheinungsformen der Eifersucht . In deren Hitze zerschmilzt die Souveränität, in der sich das Selbst sonst sonnte, zu nichts, und eine gern gezeigte Großzügigkeit findet sich schlagartig zerkleinert. Unwillkürlich schlägt das Herz schneller, unheilvoll ziehen sich die Muskeln über den Augenbrauen zusammen, wie bei Zwangsneurosen fehlt es im Gehirn an Serotonin.
    Von etwas Bitterem (althochdeutsch eiver ), das krank ( siech ) machen kann, hat die Eifersucht im Deutschen ihren Namen. In der Liebe stellt sich die »Bitterkeits-Krankheit« zuweilen schon ein, bevor die Beziehung beginnt, und mühelos überdauert sie auch noch ihr Ende. Keineswegs gilt die Eifersucht nur »Nebenbuhlern«, sondern auch Dingen und Tätigkeiten, denen der Andere Zuwendung und Zuneigung zukommen lässt: Seine Aufmerksamkeit wird entbehrt, und so ist die Eifersucht nicht erst die Furcht, ihn zu verlieren, sondern schon die Angst, die Exklusivität der Beziehung zu ihm einzubüßen,und sei es nur für einen Moment. Und nicht nur die Liebe im engeren Sinne wird von Eifersucht heimgesucht, sondern alle Arten von Liebe, auch die zwischen Freunden, Geschwistern, Eltern und Kindern, auch die zu anderen Wesen und sogar zu Gott; selbst in lieblosen Beziehungen kann sie entstehen und sich auf beliebige Andere und auf Eigenschaften wie Jugendlichkeit, Schönheit, Beliebtheit

Weitere Kostenlose Bücher