Die Liebe deines Lebens
drei, und sie weiß den Weg?«
Ich lächelte und blinkte nach links. Als ich zum Ende der Straße kam, sah ich Alicia im Rückspiegel fragend an.
»Rechts«, sagte sie.
Ich fuhr nach rechts.
»Im Ernst, weißt du den Weg?« Jetzt wandte Adam sich an Alicia.
»Jepp«, bestätigte Alicia.
»Wie das denn? Du bist drei Jahre alt.«
»Ich kenne alle Wege. Überallhin. Auf der ganzen Welt. Willst du zur Kacka-Straße?« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft.
So fuhren wir mehrmals nach links, nach rechts und geradeaus, alles nach Alicias Kommando. Zehn Minuten vergingen.
»Okay, kann ich fragen, wo wir eigentlich hinfahren?«, sagte Adam.
»Links«, antwortete Alicia gelassen.
»Ich weiß, dass wir links abbiegen, aber wohin fahren wir?«, fragte Adam mich.
»So kann man gut verlorengehen«, erklärte ich.
»Wir fahren also nach den Anweisungen von einem Kind einfach so durch die Gegend?«, fragte er.
»Genau. Und dann suchen wir den Weg nach Hause.«
»Wie lange ungefähr?«
»Ein paar Stunden.«
»Und wie oft macht ihr das?«
»Normalerweise machen wir es sonntags, aber heute ist es ein besonderer Ausflug. Wenn nicht so viel Verkehr ist, ist es noch besser. Überhaupt ist es sehr interessant. Unsere einzige Regel ist, dass wir nicht auf die Autobahn fahren. Einmal sind wir in den Dublin Mountains gelandet, ein andermal am Strand von Malahide. Wenn wir irgendwo hinkommen, wo es uns gefällt, dann steigen wir aus und schauen uns ein bisschen um. Auf diese Art entdecken wir jede Woche etwas Neues. Manchmal kommen wir aber auch nicht aus Clontarf raus und fahren immer im Kreis. Zum Glück fällt ihr das nicht auf.«
»Rechts!«, rief Adam.
»Da ist das Meer, Kacka«, lachte Alicia.
»Genau«, erwiderte Adam, und ich hörte ihm an, dass er am liebsten aussteigen wollte.
Die nächste Viertelstunde war er still und schmollte.
»Ich möchte auch mal«, sagte er plötzlich und tauchte wieder auf. »Darf ich die Richtung bestimmen?«
»Nein!«, fauchte Alicia.
»Alicia«, ermahnte ich sie.
»Darf ich bitte auch mal die Richtung sagen, Kacka?«, fragte Adam.
Das wirkte sofort. Alicia lachte. »Okay.«
»Schön.« Adam dachte scharf nach. »Bei der Ampel links.«
Ich musterte ihn im Spiegel. »Du kannst uns jetzt aber nicht zu Maria lotsen.«
»Tu ich ja gar nicht«, meinte er ungehalten.
Wir bogen links ab und fuhren ein paar Minuten. Dann kamen wir zu einer Mauer. Wir waren in einer Sackgasse gelandet.
»Also ehrlich, das ist uns noch nie passiert«, stellte ich fest und legte den Rückwärtsgang ein.
»Typisch«, schnaubte Adam und verschränkte die Arme.
»Versuch’s noch mal, Kacka«, sagte Alicia mitleidig.
»Da drüben ist eine nette kleine Straße«, meinte Adam.
»Das ist ein Feldweg, und wir haben keine Ahnung, wo er hinführt.«
»Irgendwo wird er schon hinführen.«
Also bog ich nach links ab. Dann klingelte mein Handy, und ich stellte es auf Lautsprecher.
»Hallo, Christine, ich bin’s.«
»Oscar, hi.«
»Ich bin an der Bushaltestelle.«
»Gut gemacht! Wie geht es Ihnen?«
»Nicht so berauschend. Ich komm einfach nicht drüber weg, dass Sie zwei Wochen Urlaub machen.«
»Tut mir leid. Aber am Handy bin ich immer erreichbar.«
»Aber es wäre mir wirklich sehr recht, wenn Sie persönlich da wären«, erwiderte er mit bebender Stimme. »Vielleicht könnten Sie herkommen und mit mir in den Bus steigen?«
»Nein, das geht nicht, Oscar. Tut mir leid, Sie wissen doch, dass das unmöglich ist.«
»Ich weiß, ich weiß, Sie meinen, das ist unprofessionell«, sagte er resigniert.
Natürlich half ich meinen Klienten, so gut ich konnte, aber es gab gewisse Grenzen, und ich wäre niemals mit Oscar in einen Bus gestiegen. Ich schaute im Spiegel zu Adam, um festzustellen, ob er mitgehört hatte, und tatsächlich grinste er, weil unsere momentane Situation absolut nicht den von mir soeben vertretenen Prinzipien entsprach. »Sie schaffen das, Oscar«, ermutigte ich ihn. »Atmen Sie tief aus und ein, erlauben Sie Ihrem Körper, sich zu entspannen.«
Ich war so abgelenkt durch das Gespräch mit Oscar, dass ich völlig gedankenlos den mir unbekannten, auf beiden Seiten von grünen Feldern gesäumten Weg entlangfuhr. Wenn wir an eine Kreuzung kamen, hörte ich entweder Adam oder Alicia eine Richtung rufen und folgte der Anweisung. Inzwischen hatte Oscar vier Stationen mit dem Bus geschafft und legte schließlich voller Stolz auf, um sich auf den Heimweg zu machen. Im gleichen
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