Die Liebe der anderen
verlangt … O du grausame Fünfundzwanzigjährige!
Wir scheinen viel auf Reisen zu sein. Ziemlich selten mit den Kindern, weil es kurze Reisen sind. Ich kaufe die Tickets, nachdem Pablo mir die jeweilige Summe überwiesen hat. Ich bin konsterniert. Ich lasse mich ja ganz schön aushalten … Aber ganz und gar habe ich mich nicht verändert: Erleichtert stelle ich fest, dass wir kein gemeinsames Konto besitzen. Dieses System habe ich stets abgelehnt, damit sich jeder seine kleinen Sünden leisten kann, ohne den anderen einweihen zu müssen. Ein gemeinsames Konto verursacht nur Schuldgefühle.
Inzwischen ist die Kinderfrau mit den Kleinen zurück, und ich wühle weiter in meinen Papieren. Langsam gewöhne ich mich daran, in meinen eigenen Sachen herumzuschnüffeln wie eine Fremde. Viel Zeit bleibt mir nicht dafür, denn mitten in der Lektüre nimmt mich ein achtjähriger Indianer gefangen. Dann werde ich von seiner Squaw, die schrille Schreie ausstößt, an einen Stuhl gefesselt und von einer kleinenKrabbe getröstet, die mir die Hand streichelt, sichtlich besorgt darüber, dass die beiden Großen so wild gestikulierend um mich herumtanzen.
Nichts kann mich von dem faszinierenden Anblick dieser drei Kinder trennen. Ich bin gefesselt von ihren Spielen. Ich beobachte sie. Sie wecken ganz präzise Kindheitserinnerungen in mir, in denen das Fuß- und das Kopfteil eines ziemlich hohen Bettes gut dressierte Pferde waren, die mir aufs Wort gehorchten. Mein Bruder und ich ritten ohne Sattel, mit einem leichten Klaps auf die Flanke gaben wir den folgsamen Tieren die Richtung an, und sie überwanden jedes Hindernis, ohne mit der Wimper zu zucken. Daneben lag eine Matratze, so dass wir uns gefahrlos von unserem Pferd werfen und auf der Erde weiterkriechen konnten, falls der Feind überraschend auf uns losfeuerte. Meine Erinnerung an die Kindheit scheint intakt, und es gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit, darin einzutauchen wie in warmes, weiches Wasser.
Die Spiele mit meinem Bruder lassen mich wieder an das Essen mit meiner Mutter denken, die mir erzählte, er sei immer noch in den Staaten, auf seiner Ranch, von der ihn offenbar nichts trennen könne. Dass eines ihrer Kinder sie verlassen hat, um in der Ferne wie ein Bauerntrampel zu leben, ist die große Tragödie im Leben meiner Mutter.
Da ich bei meiner Großmutter aufgewachsen bin, habe ich keine besonderen Vorstellungen von Mutterliebe. Aus der Zuneigung, die meine Kinder mir entgegenbringen, schließe ich, dass mein Verhältnis zu ihnen irgendwo zwischen großmütterlicher Zärtlichkeit und Mutterinstinkt angesiedelt sein muss, trotzdem stehe ich ihren Blicken, Fragen und Launen manchmal hilflos gegenüber. Die Liebe meiner Großmutter ist mein einziger Rettungsring. Ich halte mich an etwas Elementares, das ich immer bei ihr gespürt habe. Ich weiß nicht, wie es geht, also folge ich meinem Instinkt.
Am merkwürdigsten ist es, mit einem Mann zusammen zu sein, der von heute auf morgen vom Geliebten zum Vater wurde. So sehr ich Pablo auch mit den Augen einer Verliebten betrachte, unser Alltag mit den Kindern zwingt mich, ihn in einer ganz anderen Rolle zu sehen. Ob wir in den vier Jahren, die wir ohne sie verbrachten, jemals irgendeine Auffassung über das Familienleben miteinander geteilt haben? Angeblich suchen Frauen sich den Vater ihrer Kinder ja nach dem Kriterium aus, dieser eine, den sie mehr zu lieben glauben als die anderen, könne das Oberhaupt einer Sippe sein. Aber das muss mich heute nicht mehr kümmern. Jetzt heißt es Augen zu und durch. Bei meinen Nachforschungen habe ich keine Notizen gefunden, die mir etwas über mein Seelenleben der letzten Jahre verraten könnten. Sind sie irgendwo versteckt oder schreibe ich nicht mehr?
Am Abend kommt Pablo früher nach Hause. Vielleicht möchte er sichergehen, dass ich nicht wieder alles vergesse, wie gestern. Ich bin mit den drei Kindern im Bad, wir machen Seifenblasen. Zoé ist fasziniert, Youri kriegt kaum Luft vor Lachen, und Lola kämpft schreiend mit dem Schaum, um den Stöpsel unten in der Wanne zu finden. Pablo hat eine kleine Kamera gezückt, um uns zu fotografieren.
»Kommt noch nicht raus, ihr seid zu süß, alle vier!« Nachdem er ein paar Aufnahmen gemacht hat, höre ich ihn in der Küche hantieren. »Du hast schon Abendessen gemacht?«, fragt er verwundert.
Tja, ich lerne schnell. Ich riskiere ein »Du kommst früh heute«, und er steckt den Kopf durch die Badezimmertür, um mir mit jovialem
Weitere Kostenlose Bücher