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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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Mutter nicht mehr wiedererkennen können … Schlagartigwird mir bewusst: Ich habe die Kinder nicht wiedererkannt. In dieser Nacht stelle ich mit Schrecken fest, dass ich möglicherweise verrückter bin, als ich dachte. Vielleicht sollte ich endlich einen Arzt aufsuchen oder den Freund anrufen, den Catherine erwähnte. Dieser Entschluss beruhigt mich etwas, bevor ich auf Pablos Seufzern in den Schlaf hinübergleite.

    Am nächsten Tag ist es immer noch zwölf Jahre später. Die Kinder stürmen ins Schlafzimmer. Wo bleibt der Zauber des gemeinsamen Aufwachens, wenn drei junge Hunde das Bett in einen Raufplatz verwandeln? Ich war noch nie eine Frühaufsteherin, trotzdem lasse ich mich mit ihnen auf eine Kissenschlacht ein, die ihren Vater in die Flucht schlägt, um Croissants einzukaufen. Als wir bei seiner Rückkehr immer noch kuscheln, murrt er, wir hätten doch wenigstens schon einmal Kaffee, Kakao, Fläschchen und Orangensaft machen können und ganz viele andere Dinge, die ich vergessen habe. Ich gehe zu ihm in die Küche und streiche ihm über die Wange.
    »Hast du sonntags immer so schlechte Laune?«
    »Du weißt genau, dass ich unausstehlich werde, wenn ich Hunger habe.«
    Nein, wusste ich nicht. Meine Bemerkung bringt ihn nicht aus der Fassung. Das war ein Test. Ich kann also, so ganz nebenbei, etwas über ihn erfahren, ohne dass er sich darüber aufregt, dass ich seine Seelenwelt nach zwölf gemeinsamen Jahren immer noch nicht kenne. Diese Entdeckung entspannt mich. Wenn ich die ganze Sache für mich behalte, errege ich also keinen Verdacht. So merkwürdig, durcheinander oder neugierig ich auch sein mag, niemand kann eine solche Amnesie erkennen. Ich bin die Einzige, die daran zu beißen hat. Ich habe also alle Zeit der Welt, um wieder in mein eigenes Leben hineinzufinden, ihm einen Sinn zu geben und, wer weiß, um es eventuell zu ändern.Wer bin ich in diesem Moment? Die Frau, die ich zwölf Jahre später bin, oder die Marie, die Pablo gerade erst kennengelernt hat?
    Im Augenblick habe ich große Lust, ins Grüne zu fahren, also schlage ich Pablo vor, mit den Kindern einen Ausflug in den Wald zu machen. Ich finde meine Familie unglaublich träge, als es gilt, nur mal schnell ein paar Jeans, Spiele und Schuhe einzupacken. Ich habe immerhin die Ausrede, nicht zu wissen, wo die Sachen sind. Als endlich alle startklar sind, lässt Pablo mich auf dem Bürgersteig stehen und wirft mir einen Schlüsselbund zu: Ich soll schon mal das Auto holen, denn er muss einen wichtigen Brief einwerfen, den er in der Wohnung vergessen hat. Als er zurückkommt, wundert er sich, dass wir immer noch auf dem Bürgersteig Ringelreihe spielen.
    »Hast du das Auto nicht geholt?«
    Ich mache ein betretenes Gesicht. »Du hast uns gefehlt, wir wollten nicht ohne dich gehen.«
    Er fühlt sich geschmeichelt und geht in eine ganz schmale Straße, die ich gar nicht bemerkt hatte.
    Der Tag ist mild, das Wetter herrlich, und die Kinder sind begeistert von den Knospen, den Blüten und all den anderen Frühlingsboten, die mir verspätet erscheinen. Für diese Jahreszeit ist es nicht sehr warm. Die Sonne ist nicht mehr so stark wie früher, und der Wind kälter. Ich schließe die Augen. Na bitte, ich fange schon an zu denken wie die Alten. Ich meckere und vergleiche die Gegenwart mit früheren Zeiten … Wir essen in einem kleinen Gasthof am Rande der Landstraße, der wir aufs Geratewohl folgen. Hier steht eine alte Mühle, und Pablo sieht nachdenklich zu, wie sie sich dreht.
    »Das erinnert mich an Margots Haus in Antigny, dich nicht?«
    Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Ich nehme seine Hand. Eigentlich ist es ziemlich einfach, keine Erinnerungenzu haben. Das stimmt mich fröhlich. So weit ich das in der Beobachtung anderer Paare beurteilen kann, häuft man in einer Beziehung nach und nach einen ziemlichen Groll an. Ich selber habe die üblen Zeiten erlebt, wo man den anderen absolut lieblos behandelt, die vielen kleinen Verletzungen, die sich zu tiefen Wunden summieren. Es heißt ja, was uns nicht tötet, macht uns nur stärker, aber was täglich an uns nagt, bringt uns am Ende doch um!
    Ich lächle Pablo zu, und denke voller Glück: Was für ein unglaubliches Geschenk … Keine Vergangenheit, keine Altlasten!
    Pablo ist charmant, aufmerksam, witzig. Meine Distanz zu ihm bereitet mir Kummer. Ich fühle mich kalt. Er gefällt mir, aber er behandelt mich nicht wie eine Frau, die er gerade erst kennengelernt hat. Uns fehlt diese Spur von

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