Die Liebe der anderen
wunderschön und warmherzig. Mich mit einer anderen Frau solidarisch zu fühlen war für mich neu. Du warst witzig, gutaussehend und nett. Und du hast nie eine Konkurrentin in mir gesehen. Ich machte mir sogar Sorgen um dich, denn Pablo ist ein ziemlicher Egoist. Aber irgendwie kamst du gut mit ihm zurecht, hast immer wieder mit Humor hingedreht, was dir nicht passte, und seine Wutausbrüche und Launen gebremst. Du hattest ihn gut im Griff, ohne ihn zu unterwerfen, du konntest ihm die Leidenschaft schenken, die er auch mit anderen erlebt hatte, jedoch ohne jede Hysterie. Und dann war da Zärtlichkeit, Tiefgang, echte Zuneigung. Du konntest auf ihn warten, und er wiederum stellte deine Reflexe auf den Kopf. Er zwang dich, das Beste von dir zu geben, dein verwöhntes Klein-Mädchen-Gehabe an den Nagel zu hängen. Ihr habt euch gegenseitig gutgetan – eine wunderbare Alchemie für ein Paar, die sehr selten ist. Mit dir verlor Pablo seine flatterhafte Seite, die Berufskrankheit der Schauspieler, dieses ›Ich-will-dass-alle-Frauen-mich-lieben‹,diese Oberflächlichkeit, die mich so an ihm gestört hat und mit der ich im Gegensatz zu dir nicht umgehen konnte. Du hast es geschafft, dass er über sich selbst lachen konnte, und gleichzeitig war er weniger auf den Schein bedacht, viel aufmerksamer und verliebter. Zwischen euch war eine perfekte Harmonie, um die euch viele Freunde beneideten, bisweilen auf ungute Art und Weise, aber auch mit Wohlwollen, je nachdem. Was mich betrifft, so habe ich nach der Geburt von Zoé eine Veränderung an dir bemerkt … Anfangs war es kaum festzumachen, so eine Art Hartherzigkeit. Hin und wieder ließest du bittere Bemerkungen fallen, was ich nicht von dir kannte. Pablo schien das nicht aufzufallen oder nicht zu kümmern …« Ich nicke wortlos, damit sie weiterredet. Sie schweigt einen Moment und denkt nach. »Auch körperlich nahm deine Anspannung zu. Du warst verkrampfter als früher, hattest Migräne. Und vor allem war dir jegliche Lebensfreude abhandengekommen. Das Foto, das ich an meinem Geburtstag von dir gemacht habe, spiegelt in meinen Augen den Gipfel deines Kummers wider. Es war, als würdest du trauern, als wäre etwas für immer vorbei. Als hättest du einen geliebten Menschen verloren.«
»Und Pablo, wie war er in dieser Zeit?«
»Er war der Alte, ein bisschen reservierter. Aber das kann ich nur beurteilen, weil ich ihn so gut kenne. Jeder andere würde sagen, er war ganz der Alte. Aber ich fand ihn weniger zugewandt. Auch du hast dich immer mehr zurückgezogen. Sogar mit deinen Kindern fand ich dich abwesend, nicht mehr so geduldig und viel schneller gereizt.«
Ihre fragende Miene und ihr Schweigen ermuntern mich, mich ihr anzuvertrauen. Ich lächle sie an, bevor ich ihr von meinem Abenteuer in der Leere erzähle. Ich verschweige keinen der Schritte, die ich unternehme, um meine Gedächtnislücke zu erhellen, die Auslöschung von einem Teil meines Lebens.
Sie hat mir zugehört, ohne mich zu unterbrechen, und ihr Kommentar eröffnet mir völlig neue Perspektiven.
»Wenn wir die Augen dann öffnen, kommt es häufig vor, dass etwas in uns sie gleich wieder schließen will«, sagt sie. »Heute weißt du zwar, was du verloren hast, aber du weißt nicht, was du gewonnen hast. Jedenfalls kannst du auf mich zählen und dich auf mein Schweigen verlassen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, so zu leben, wie du es jetzt tust. Wenn du also reden möchtest …« Plötzlich wirft sie einen Blick auf die Uhr. »Mist! Mein Patient.« Dann sieht sie mir wieder in die Augen, mit einer Ruhe, die ihre Prioritäten beweist. »Soll ich den Termin absagen?«
Ich protestiere. »Nein, natürlich nicht. Du hast dir schon so viel Zeit für mich genommen.« Ich danke ihr für ihre Hilfe und entschuldige mich, dass auch sie von meinem Vergessen betroffen ist, doch darüber lacht sie nur.
»Das ist doch völlig unwichtig. So ein Kleinkram kann unserer Beziehung nichts anhaben. Ganz oder gar nicht. Halbe Sachen waren noch nie dein Ding. Aber pass auf dich auf. Es muss ein ziemlich großer Herzschmerz gewesen sein, der dich zwölf Jahre deines Lebens vergessen ließ. Und wenn du mich nach meiner bescheidenen Meinung fragst, kann es nur etwas mit Pablo zu tun haben. Also sei vorsichtig bei deiner Suche nach dir selbst. Du kannst mich jederzeit anrufen.« Sie drückt mich an sich. Sie ist das, was meine Großmutter einen guten Menschen nannte, und ich weiß nicht, welchem Engel ich
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