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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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seit zwei Wochen führe, teilhaben zu lassen. Er hat seine gewohnte Fröhlichkeit wiedergewonnen.
    »Danke, Marie. Du weißt gar nicht, auf welch wunderbare Art du die Situation gerettet hast. Vielleicht werden wir eines Tages darüber sprechen, aber nicht jetzt. Diese Liebe ist viel zu bezaubernd. Aber du kannst mir ruhig glauben, dass ein Funken Wahrheit in dem ist, was ich dir gesagt habe. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, mit einer anderen Frau zusammenzuleben. Du hast dich so verändert! Hat es damit zu tun, dass du nicht mehr arbeitest, oder liegt es auch an dieser Abmachung zwischen uns? … Ich weiß es nicht. Wie auch immer, ich finde das, was uns passiert, wunderbar. Was hältst du von einem Bad in der kleinen Bucht, die du so magst? Ich gehe mal zu Lorenzo und leihe mir sein Boot. Du kannst hierbleiben oder mit mir ins Dorf kommen, wie du willst.«
    Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Ich bin völlig verwirrt von diesem Überraschungscoup. Nun wird mir klar, dass selbst die größten Ungereimtheiten, die ich meinen Angehörigen auftischen könnte, lächerlich sind im Vergleich zu meinem verrückten Abenteuer. Eigentlich könnte ich einfach so weiterleben, ohne zu verstehen, mich den Umständen fügen und ergeben … Doch im selben Augenblick lehnt ein Teil von mir diesen Kompromiss ab. Ich will nicht feige sein, ich will es wissen. Warum bin ich so angezogen von dieser Tür, hinter der ich schreckliche Geheimnisse befürchte? Pablo sprach von einer Abmachung zwischen uns. Was meinte er damit?

    Pablo ist ein guter Schwimmer. Ich sitze an dem kleinen Strand, auf den wir das Boot geschoben haben, und sehe ihm zu. Ich habe meinen Kopf auf sein Hemd gelegt. Ich atme den vertrauten, betörenden Duft ein. Wie beim ersten Mal. Ich liebe seinen Geruch, und ich weiß, dass das nicht neu ist. Wenn ich ihn einatme, breitet sich in meinem Magen ein ganz intensives Wohlgefühl aus, das mich fast zu Tränen rührt. Gleich darauf legt sich eine andere, höchst unangenehme Wahrnehmung darüber, sie brennt in meinem ganzen Körper, doch sie erreicht mich nicht. Mein Körper ist das Opfer eines dumpfen Schmerzes, der sich von Zeit zu Zeit bemerkbar macht. Ich vermute, in diesen Momenten bin ich ganz nah an dem, was mich gezwungen hat, in meine Vergangenheit abzutauchen. Wenn ich es ergründe, kann ich mich dann aus der Sackgasse befreien, in der ich steckte, als mein Gedächtnis aufgab? Kann eine Frau ohne Vergangenheit überhaupt eine erfreuliche Zukunft haben?
    Pablo winkt mir zu, ich soll zu ihm kommen. Ich springe auf. Ich möchte nicht riskieren, schon wieder Misstrauen bei ihm zu wecken. Ich werfe mich in seine Arme.
    »Das Wasser ist herrlich. Ich dachte, es wäre kälter.«
    »Ich auch«, bemerkt er mit verschmitztem Lächeln.
    Beim Schwimmen beobachte ich ihn aus den Augenwinkeln. Immer wieder die eine Frage: Was ist das, ein Paar, das seit zwölf Jahren zusammen ist? Seit zwei Wochen verhalte ich mich so, wie es die Ereignisse, die über mich kamen, von mir verlangen. Doch mir ist bewusst, dass die Beziehung zwischen zwei Menschen nach so einer Zeit anders aussehen muss als alles, was ich davor kannte … Es fällt mir so schwer, mich an die Vertrautheit zu gewöhnen, die Pablo mir gegenüber an den Tag legt. Es gibt Dinge, die man nach zwei Wochen nicht tut, jedenfalls noch nicht. Ganz persönliche Angewohnheiten beim Schlafen oder andere Kleinigkeiten, die ich dem Blick eines anderen für gewöhnlich vorenthalte. Ich verstecke mich, während er sich vorbehaltlos zeigt. Ich bin weit davon entfernt, verklemmt zu sein, aber eine gewisse Intimsphäre habe ich immer geschützt. Was bleibt davon, wenn man so lange Zeit miteinander verbracht hat? Diese totale Offenheit von Pablo irritiert mich. Ich entdecke, dass nach zwölf Jahren die kleinen Aufmerksamkeiten in Vergessenheit geraten sind, ein bestimmter Blick ist verschwunden. Ich habe diese Blicke und diese Gesten noch. Oder wieder? An Pablos Reaktion bemerke ich Verwunderung, Gefallen und eine Spur von Argwohn. Das kränkt mich, und ich möchte darüber reden. Für mich ist alles ganz frisch und neu, doch ständig laufe ich gegen die Mauer des grauen Alltags und der Reibereien eines Lebens zu zweit. Für ihn ist nichts zwischen uns außergewöhnlich. Für mich alles, und zwar doppelt. Was ich von diesem Mann sehe, der mir seit zwei Wochen auferlegt ist, obwohl ich ihn mir nur für einen Abend ausgesucht habe, interessiert mich. Mir ist klar, warum er

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