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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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habe Angst, Pablo über den Weg zu laufen. Aber dann steigen wir doch zwei Haltestellen später aus. Mein zukünftiger Bühnenpartner beschreibt sehr inbrünstig verschiedene Szenen, die wir spielen könnten. Er berichtet mir auch von seinem Wunsch, sich mehr im Theater zu engagieren, obwohl das finanziell nicht so einfach sei. Lucas, der wohl der Lehrer ist, oder der Regisseur, keine Ahnung, ermutigt ihn dazu. Diese Informationen über die allgemeine Stimmung vor Ort sagen mir immer noch nicht, was ich in diesem Theaterkurs zu suchen habe. Gut, früher, als Jugendliche, habe ich ein bisschen Theater gespielt. Aber eine große Leidenschaft war es nie. Plötzlich erinnere ich mich, dass Pablo mir an dem Abend, an dem wir uns kennenlernten, die Feinheiten der Schauspielerei darlegte. Warum ist mir dieses Detail nicht eingefallen, als ich darüber nachgrübelte, was er wohl beruflich machen könnte?
    Jemand ruft hinter uns her: »Antoine! Marie!« Man scheintsich über das Wiedersehen zu freuen. Sie drücken mich ganz fest, wie es Antoine vor einer Stunde im
Imprévu
tat.
    »He, Marie, du warst lange nicht hier! Wir warten immer noch auf die Fortsetzung eurer phantastischen Impro!«
    »Wir wollten sie ja auch noch gemeinsam mit dir anschauen.«
    »Ja, wenn Lucas sich nicht wieder mit den Tasten für Pause und Aufnahme verhaut … Aber du hattest Glück, deine Darbietung ist tatsächlich aufgenommen worden.«
    Na toll! Ich bin nicht sicher, ob diese Neuigkeit mich entzücken oder schrecken soll. Ich kann mir also die berühmte Szene ansehen, die offenbar alle so berührt hat und die sich, meinem Kalender zufolge, am Tag vor meinem Gedächtnisverlust ereignete.
    Lucas empfängt uns herzlich. Er ist ein lustiger, rundlicher Typ mit Schalk in den Augen und von einer fröhlichen Unkompliziertheit. Wahrscheinlich geht die vertraute Stimmung, die ich in der Truppe spüre, von ihm aus. Leider habe ich kein Heft dabei, in dem ich seine weisen Anmerkungen festhalten kann, er scheint mir eher einen Lebens- als einen Theaterkurs zu geben. Ich bin mitgerissen, gerührt. Was er sagt, ist ebenso überzeugend wie schön. Es kommt mir so vor, als stamme alles aus einem Buch, das eigens für mich geschrieben wurde.
    »Stelle dich deiner Angst und erforsche den Teil in dir, den du nicht kennst … Du selbst bist die Rolle. Dein Partner und du, ihr erlebt eine Liebesbeziehung … Im Theater kann man sich nicht verstellen. Das Publikum glaubt an die Illusion, wenn die Schauspieler authentisch sind. Was zwischen zwei Figuren passiert, ist nicht Wirklichkeit, sondern Wahrheit. Das, was man zwischen den Tönen wahrnimmt, ist das Schweigen, das Gedanken laut werden lässt. Deshalb haben wir im normalen Leben Angst vor dem Schweigen und sind die ganze Zeit damit beschäftigt, es zu stopfen … Der Schatten ist das Gedächtnis«, sagt er abschließend.
    Und mein Schatten, hat der sich nicht klammheimlich aus dem Staub gemacht? Welche andere hat ihn mitgenommen?
    Lucas gehört zu den Menschen, die einem innerhalb von zehn Sekunden das Unbehagen von vierzig Lebensjahren nehmen. Die uns eine seit zwei Millionen Jahren verborgene Persönlichkeit entdecken lassen.
    »Wo die Psychologen nach dem Warum fragen, interessiert uns das Wie des Gefühls«, fährt Lucas fort. »Der Rest ist Pathologie … Man lernt sich von Mangel zu Mangel besser kennen.«
    Ach ja? Und wie sah dann mein Mangel aus, das würde ich gerne mal wissen. Heute fehlen mir zwölf Jahre, aber was war es gestern? Inzwischen kann ich es kaum noch erwarten, die Videoaufnahmen meiner Improvisation zu sehen. Plötzlich spüre ich einen Atem in meinem Nacken. Eine Hand legt sich auf meine Schulter, ein Mund berührt mein Ohr, eine Stimme flüstert: »Guten Tag, meine kleine Marie. Du hast mir gefehlt.« Diese Zärtlichkeit … Ich bin verwirrt. Hatte ich einen Liebhaber? Gab es eine andere Liebe als Pablo in meinem Leben?
    »Willst du jetzt, Marie?« Die Stimme reißt mich aus meinen Träumereien. »Möchtest du auf die Bühne?«
    »Nein, ich … heute nicht.«
    »In Ordnung«, antwortet Lucas. »Dann vielleicht Bruno. Aber wir müssen uns noch die Zeit nehmen, deine Improvisationsübung aus dem Workshop anzusehen, Marie. Entweder im Offenen Atelier oder bei einer anderen Gelegenheit. Es sei denn, du möchtest sie lieber alleine anschauen.«
    Mein rettendes Lachen lässt nur kurz auf sich warten. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht gar keine schlechte Idee, es in der

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