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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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gelungen ist? Ich sage das jetzt einfach so, obwohl ich nicht weiß, ob Sie selbst es für gelungen halten.«
    Carlos kneift die Augen zusammen. Verrückt, wie sehr Pablo ihm ähnelt, wenn er sein verschmitztes Gesicht macht. Dann wird er plötzlich wieder ernst.
    »Zu einem großen Teil haben wir uns zu Herzen genommen, was Ihre Großmutter Ihnen immer gesagt hat. Deshalb müssen Olga und ich immer so lachen, wenn Sie von ihr erzählen. Und vor allem gehen wir nach wie vor nicht davon aus, dass das Spiel ein für allemal gewonnen ist. Sicher kennen Sie die Geschichte über die Langlebigkeit einer Beziehung: Ein Greis und eine Greisin von sechsundneunzig und neunzig Jahren reichen die Scheidung ein. Und der erstaunte Anwalt fragt sie: ›Warum wollen Sie sich nach so vielen Jahren scheiden lassen?‹ Mit bierernster Miene antworten sie: ›Wir wollten warten, bis die Kinder tot sind.‹«
    »Das ist ja furchtbar«, sage ich lachend.
    »Ja, nicht wahr? Trotzdem findet eigentlich jeder sie mehr oder wenig lustig. Aber Sie hat mehr philosophischen Gehalt als man auf den ersten Blick annehmen möchte. BedenkenSie doch nur, wie viel Hoffnung für das restliche Leben darin steckt: Egal, wie alt man ist, und egal, welche dummen Konventionen uns unser Umfeld oder die Moral auferlegen, man hat das Recht auf Glück, auch wenn man sich geirrt hat. Und dieselbe Hoffnung gilt für das Leben zu zweit: dass man sich gegenseitig die Chance auf Glück lässt. Wie Sie wissen, sind unsere Söhne sehr verschieden. Als ich Olga kennenlernte, war Igor sieben Jahre alt. Er konnte mich von Anfang an nicht leiden. Und noch heute ist in seinem Blick nichts als Boshaftigkeit, wenn wir uns begegnen. Dieses Kind hat Olga schrecklich viel Kummer bereitet, und mir auch. Je größer Pablo wurde, desto cholerischer gebärdete sich Igor. Der Graben zwischen ihnen wurde immer tiefer. Igor hasste seinen Halbbruder, er wollte ihn sogar mit einem Kopfkissen ersticken, als Pablo noch ein Baby war. Wir haben alles versucht, um die Harmonie in der Familie wiederherzustellen. Bisher leider ohne Erfolg! Vielleicht wird Igor die Liebe, die Olga und ich ihm entgegenbrachten, eines Tages spüren.« Carlos hält inne. Ich wage nicht, sein Schweigen durch eine Frage zu stören. Er scheint sich in seinen Erinnerungen zu verlieren. Und einen Moment lang beneide ich ihn darum! »Als ich Olga kennenlernte, war ich noch ein Herzensbrecher, ein großes Kind, ein argentinischer Schürzenjäger. Erst sie lehrte mich, die Liebe neu zu erfinden und jeden gemeinsamen Tag als neues Abenteuer zu betrachten. Und in diesem Abenteuer wuchs Pablo auf.«
    »Ich weiß …«
    »Sie liebte Sie vom ersten Moment an. Ich erinnere mich, dass sie die große Befürchtung hatte, Pablo könnte sich mit einer einzigen Frau langweilen und deswegen anfangen, von einer zur nächsten zu flattern. Marie, ich liebe Sie wie meine eigene Tochter. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich spüre, dass zwischen Ihnen und Pablo etwas vorgefallen sein muss, das Sie beide noch nicht überwunden haben.Sollten Sie irgendein Problem haben, zögern Sie niemals, zu uns zu kommen oder mit uns darüber zu reden.«
    »Danke, Carlos, Sie sind so nett … und so weise.«
    Ich drücke ihn an mich und bin aufs Neue erschüttert darüber, dass ich so eine tolle Familie verlassen konnte.

    »Könnten Sie mir bitte erklären, was dieses Symbol hier bedeutet?«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    »Nein, bitte erklären Sie es mir. Ich habe nie einen Computer benutzt, wissen Sie … Meine Sache ist das Schreiben. Ich schreibe zunächst mit der Hand, später tippe ich das Manuskript auf einer alten elektrischen Schreibmaschine ab.«
    Ich sitze in Henris Büro. Und auf seinem Bildschirm habe ich wieder diesen kleinen Globus mit der Bezeichnung »Internetverbindung« entdeckt. Er kann es gar nicht fassen.
    »Na, Sie sind mir ja eine! Das ist vielleicht eine komische Art, das Jahr 2000 zu beginnen. Also gut. Fangen wir am Anfang an: Das ist das Internet, ein elektronisches Datennetz. Sie können hier jede Art von Information suchen, Sie können hier einkaufen, Ihren Freunden am anderen Ende der Welt schreiben, eigentlich alles, was Sie wollen. Können Sie mir folgen? Sie können im Netz sogar mit anderen Leuten spielen.«
    »Sie werden mich für bescheuert halten, aber was spielt man im Internet?«
    »Sehen Sie denn auch kein Fernsehen und lesen keine Zeitung?«
    Er fährt fort, mir diese Welt zu erklären, die mir so fern ist.

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