Die Liebe des Highlanders
waren schweißdurch- tränkt. Sein Kopf schmerzte.
Er tastete nach dem Weinkrug auf dem Nachttisch und brauchte etliche Versuche, bis es ihm gelang, die Finger um den Krug zu schließen. Zitternd hob er ihn an die Lippen und trank, bis der Krug leer war. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab.
Sein Herz pochte heftig, und er hatte das übermächtige Gefühl, dass er in dieser Nacht mit knapper Not einer tödlichen Gefahr entkommen war. Ihm war, als wäre etwas in ihn eingedrungen und hätte Besitzansprüche angemeldet.
Er fuhr sich mit bebenden Händen durchs Haar, sprang vom Bett und ging auf und ab. Er schaute zurück zu seiner Schlafstatt und erwartete fast, einen Sukkubus zwischen den zerrissenen Laken und den schweißdurchtränkten Fellen lauern zu sehen.
Bei Amergin! Was für ein eigenartiger Traum! Er erinnerte sich an nichts, aber er spürte noch, dass er im Schlaf Zerstörung und einen bitteren Sieg erlebt hatte.
Ein greller Lichtblitz unter dem Fenster seines Schlafgemachs weckte seine Aufmerksamkeit. Ein leises Donnergrollen folgte. Er zog den Vorhang beiseite und sah durch die dicke Scheibe in die Nacht.
Drustan stand lange am Fenster, atmete langsam und tief durch und bemühte sich, seine innere Ruhe wieder zu finden. Er hatte selten Albträume und zog es vor, insbesondere diesen, der schier an Wahnsinn grenzte, ganz und gar zu vergessen. Er verschloss ihn so tief in einem fernen Winkel seines Bewusstseins, dass nie wieder ein Lichtstrahl darauf fallen würde.
Das Unwetter verzog sich so rasch, wie es aufgekommen war, und die Highland-Nacht war wieder friedlich und still.
Denk nach, denk nach, denk nach, beschwor sich Gwen. Angeblich hast du Verstand, also benutz ihn auch. Aber ihr Gehirn war schwerfällig und betäubt. Nach diesem ereignisreichen Tag, nach der unglaublichen Leidenschaft, dem bizarren Unwetter, dem zermürbenden Nikotinentzug war sie nicht mehr imstande, brillante Gedankengänge zu entwickeln. Sie war nicht einmal in der Verfassung, wie ein normal begabter Mensch zu denken.
Während sie vorsichtig über die schmelzenden Hagelkörner ging, listete sie im Geiste die nackten Fakten auf. Im Moment schreckte sie davor zurück, aus den Ereignissen Schlüsse zu ziehen. Sie suchte verzweifelt nach etwas Greifbarem und einer logischen Erklärung, wie sie hierher geraten war.
Schaudernd betrachtete sie die Burg. Die Aussicht, sich dem zu stellen, was sie in diesem Gemäuer erwartete, war faszinierend und beängstigend zugleich.
Es gab da etwas, das sie zu allererst erledigen musste. Nicht dass sie ungläubig wäre - nein, doch nicht sie! Dennoch zog sie es vor, den schlagenden Beweis mit eigenen Augen zu sehen.
Sie holte tief Luft, tauchte in die Dunkelheit ein und entfernte sich von der Burg. An der Festungsmauer angekommen, kletterte sie auf die Fässer, die dort gestapelt waren, und spähte durch einen Schlitz in der Mauer.
Dort unten musste Alborath sein - aber da war es nicht. Ihre Vermutung war also bestätigt.
Sie ließ die Schultern sinken. Im Grunde hatte sie nicht damit gerechnet, das Dorf und Lichter zu sehen, aber es war dennoch wie ein Schock.
Ich bin zu weit zurückgegangen.
Sie überlegte und ging die Theorien durch, die es über Zeitreisen gab. Vielleicht hatte Drustan versucht, in die Zeit kurz nach seiner Entführung zurückzukehren, hatte aber die falschen Zeichen verwendet. Demnach wäre er zu einem Zeitpunkt zurückgekommen, in dem er sich noch in der Burg aufhielt. Nach einer weit verbreiteten Theorie, welche Zeit- reisen durchaus für möglich hielt, duldete die Materie des Universums keine zwei identischen Wesen in ein und demselben Moment. Sein zukünftiges Selbst wäre demnach aus- gelöscht.
Zeitreise!, kreischte die Wissenschaftlerin in ihrem Kopf. Analysieren!
Wir müssen ihn retten. Analysier das! Uber die Verbindungen und Verzweigungen paralleler Universen denken wir später nach.
Sein zukünftiges Selbst war also ausgelöscht; das bedeutete, dass der Drustan, in den sie sich verliebt hatte, nicht mehr existierte. Aber sie würde einen Drustan in der Burg vorfinden - einen Mann, der noch nicht verzaubert worden war und sie noch nie im Leben gesehen hatte.
Dieser Gedanke lastete auf ihr. Sie hatte es überhaupt nicht eilig, in seine silbrigen Augen zu schauen, die sie erst vor einer Stunde so glutvoll angesehen hatten und die sie jetzt nicht wieder erkennen würden.
Versprich mir, dich nicht vor mir zu fürchten.
Ihn fürchten?
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