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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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der Leinwand transportierte ein Trupp von Frankokanadiern ein Kanu über Stromschnellen flussaufwärts. Die Szene war in einem Studiobecken gedreht worden, und am Ende jedes Takes hörte man das »Cut!« des Regisseurs. Danach atmeten die Schauspieler auf, wischten sich die Stirn, manchmal lachten sie laut, das Wasser hörte auf zu strudeln – die Illusion war dahin. Stahr gab bekannt, für welchen Take er sich entschieden hatte, stellte fest, dass es eine »gelungene Rückpro« sei, verzichtete aber auf jeden weiteren Kommentar.
    Die nächste Szene, noch immer in den Stromschnellen, war ein Dialog zwischen der kanadischen Heldin (Claudette Colbert) und dem coureur de bois (Ronald Colman), wobei sie von einem Kanu zu ihm heruntersehen sollte. Nachdem ein paar Streifen durchgelaufen waren, fragte Stahr plötzlich: »Ist das Becken schon abgebaut?«
    »Jawohl.«
    »Sie brauchten es doch für –«
    Stahr fuhr energisch dazwischen. »Sofort wieder aufbauen. Noch mal den zweiten Take.«
    Das Licht ging kurz an, einer der Aufnahmeleiter kam zu Stahr nach vorn.
    [92] »Eine wunderschön gespielte Szene verschenkt!« In Stahrs Stimme war beherrschte Wut. »Sie war nicht zentriert. Die Kamera hat die ganze Zeit von oben auf Claudettes schönen Kopf gehalten. Genau so wollen das die Leute im Kino sehen – den Kopf einer schönen Frau von oben. Einen Gruß an Tim, und er hätte viel Geld sparen können, wenn er ihr Lichtdouble genommen hätte.«
    Das Licht ging wieder aus. Der Aufnahmeleiter hockte sich neben Stahrs Sessel, um nicht im Wege zu sein. Der Take lief noch einmal durch.
    »Seht ihr’s jetzt?«, fragte Stahr. »Außerdem ist ein Haar im Bild, da rechts. Stellt fest, ob es im Projektor oder auf dem Film ist.«
    Ganz am Ende des Takes hob Claudette Colbert langsam den Blick, so dass man ihre großen glänzenden Augen sah.
    »So hätte das die ganze Zeit ausschauen müssen«, sagte Stahr. »Hervorragend gespielt übrigens. Seht zu, dass ihr es morgen Vormittag oder heute am späten Nachmittag noch einbauen könnt.«
    Pete Zavras wäre so ein Schnitzer nicht passiert. In der ganzen Branche gab es nicht ein halbes Dutzend Kameraleute, auf die hundertprozentig Verlass war.
    Es wurde hell, Projekt- und Aufnahmeleiter verließen den Vorführraum.
    »Das hier ist gestern gedreht worden, Monroe. Wir haben es am späten Abend bekommen.«
    Das Licht ging aus. Auf der Leinwand erschien gewaltig und voller Majestät der Kopf des Shiva, der noch nichts davon ahnte, dass ihn in wenigen Stunden eine [93] Überschwemmung mitreißen würde. Um den Hindugott herum wimmelte eine Schar von Gläubigen.
    »Wenn ihr die Szene noch mal dreht«, ließ sich Stahr vernehmen, »setzt ein paar Kinder drauf. Fragt vorsichtshalber nach, ob es auch keine Gotteslästerung ist, aber ich denke nicht. Kinder stören nie.«
    »Wird gemacht, Monroe.«
    Ein Silbergürtel mit ausgestanzten Sternen… Smith, Jones oder Brown… Anzeige unter Vermischtes: Die Frau mit dem Silbergürtel wird gebeten…
    Der nächste Film, eine Gangstergeschichte, spielte in New York, und Stahr wurde unruhig.
    »Diese Szene könnt ihr wegschmeißen«, kam seine Stimme aus dem Dunkel. »Schlecht geschrieben, falsch besetzt, sie bringt die Handlung nicht weiter. Das sind keine harten Burschen, sondern rausgeputzte Milchbubis. Was zum Teufel war da los, Mort?«
    »Die Szene ist heute am Set geschrieben worden«, sagte Mort Flieshacker. »Burton wollte alles auf Bühne sechs haben.«
    »Schmeißt sie weg. Und die hier auch. So was braucht man gar nicht erst zu kopieren. Sie ist nicht von dem überzeugt, was sie sagt, und Cary auch nicht. ›Ich liebe dich‹ in Großaufnahme – die Leute lachen sich doch tot! Und zu fein angezogen ist sie außerdem.«
    In der Dunkelheit erklang ein Signal, der Projektor stoppte, es wurde hell. Kein Laut war zu hören. Stahrs Miene war undurchdringlich.
    »Wer hat die Szene geschrieben?«, fragte er schließlich.
    »Wylie White.«
    [94] »Nüchtern?«
    »Ja, sicher.«
    Stahr überlegte.
    »Setzt heute Abend vier Schreiber dran. Mal sehen, wen wir haben. Ist Sidney Howard schon da?«
    »Heute früh gekommen.«
    »Besprecht es mit ihm. Erklärt ihm, was ich will. Die Frau schwebt in Todesangst – sie spielt auf Zeit. So einfach ist das. Kein Mensch hat drei Gefühle gleichzeitig. Und Kapper…«
    Der Art Director, der in der zweiten Reihe saß, beugte sich vor.
    »Ja?«
    »Irgendwas stimmt nicht mit der Dekoration.«
    Kurze Blicke gingen hin und

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