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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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her.
    »Was denn, Monroe?«
    »Das will ich von euch wissen. Sie ist zu voll. Das Auge ist überfordert. Sie sieht billig aus.«
    »War sie aber nicht.«
    »Das weiß ich. Es ist keine Katastrophe, aber irgendwas stimmt nicht. Schau es dir heute Abend mal an. Womöglich nur zu viel oder das falsche Mobiliar. Vielleicht ließe sich mit einem Fenster was machen. Oder mit der Perspektive in der Diele.«
    »Mal sehen, was sich tun lässt.« Kapper schob sich aus der Reihe heraus und sah auf die Uhr. »Ich muss gleich drangehen. Dann arbeite ich heute Abend durch, und morgen früh können wir umbauen.«
    »In Ordnung. Kannst du um diese Szene herumdrehen, Mort?«
    [95] »Ich denke schon, Monroe.«
    »Das war meine Schuld. Habt ihr die Prügelszene?«
    »Die kommt jetzt.«
    Stahr nickte. Kapper ging eilig hinaus, und es wurde wieder dunkel. Auf der Leinwand inszenierten vier Männer eine mächtige Keilerei. Stahr lachte.
    »Guckt euch Tracy an«, sagte er. »Wie er den Typ da angeht. Der kennt sich aus.«
    Die Keilerei wurde endlos wiederholt. Immer wieder standen sie einander lächelnd gegenüber, manchmal schlugen sie einem Gegenspieler freundschaftlich auf die Schulter. Gefährlich wurde es nur für den Stuntman, einen Boxer, der die anderen drei glatt hätte ins Jenseits befördern können. Er war nur dann in Gefahr, wenn sie wild drauflosdroschen und nicht das machten, was er ihnen beigebracht hatte. Trotzdem fürchtete der jüngste Schauspieler um sein Gesicht, aber der Regisseur hatte von seinen Ausweichmanövern mit geschickter Kameraführung abgelenkt.
    Danach begegneten sich zwei unentwegt unter einer Tür, fuhren zusammen, als sie sich erkannten, gingen weiter. Sie begegneten sich, fuhren zusammen, gingen weiter. Sie machten es falsch. Sie begegneten sich erneut, fuhren zusammen, gingen weiter.
    Dann las ein kleines Mädchen unter einem Baum ein Buch, und auf einem Ast über ihr saß ein Junge und las ebenfalls. Das kleine Mädchen langweilte sich und wollte sich mit dem Jungen unterhalten. Er hörte nicht hin. Der Butzen des Apfels, den er gegessen hatte, fiel dem kleinen Mädchen auf den Kopf.
    »Ziemlich lang, was?«, kam eine Stimme aus dem Dunkel.
    [96] »Finde ich nicht«, sagte Stahr. »Hübsch. Eine richtig hübsche Szene.«
    »Also ich finde sie zu lang.«
    »Manchmal können drei Meter zu lang sein, und manchmal kann eine 200 Meter lange Szene zu kurz sein. Ich möchte mit dem Cutter sprechen, ehe er drangeht, so was bleibt in Erinnerung.«
    Das Orakel hatte gesprochen. Stahr musste immer recht haben – nicht meistens, sondern immer –, weil ihnen sonst alles unter den Händen zerronnen wäre.
    Eine weitere Stunde verging. Bruchstücke von Träumen flimmerten über die Leinwand, wurden analysiert und verschwanden – um später vom Publikum weitergeträumt oder aber ausrangiert zu werden. Den Schluss bildeten wie immer die Probeaufnahmen, ein Charakterdarsteller und eine junge Frau. Nach den Mustern, die ihren ganz eigenen, spannungsreichen Rhythmus hatten, kamen die Probeaufnahmen glatt und perfekt daher, die Zuschauer lehnten sich lässig zurück, Stahrs Fuß rutschte nach unten. Stellungnahmen waren erwünscht. Einer der Techniker meinte, er hätte nichts dagegen, mit der Frau ins Bett zu gehen, die anderen hatten keine Meinung.
    »Von der hat schon vor zwei Jahren jemand Probeaufnahmen geschickt. Kommt offenbar ganz schön rum, aber besser ist sie davon nicht geworden. Der Mann ist gut. Könnten wir ihn nicht für den alten russischen Fürsten in Die Steppe gebrauchen?«
    »Er ist ein alter russischer Fürst«, sagte der Casting Director. »Aber das ist ihm peinlich, weil er ein Roter ist. Und so eine Rolle würde er nie spielen, sagt er.«
    [97] »Es ist die einzige Rolle, die er spielen könnte«, erklärte Stahr.
    Das Licht ging an. Stahr wickelte seinen Kaugummi ins Papier, legte ihn in einen Aschenbecher und sah seine Sekretärin fragend an.
    »Die Rückprojektionen auf Bühne zwei«, sagte sie.
    Er schaute kurz bei den Rückprojektionen vorbei, Szenen, die mit einer raffinierten Technik vor einem zuvor gefilmten Hintergrund gedreht wurden. Dann trafen sie sich in Marcus’ Büro zu einer Besprechung über eine Manon mit Happy-end, und Stahr hielt an seiner Meinung fest, dass Manon Lescaut seit hundertfünfzig Jahren auch ohne Happyend Geld brachte. Jetzt, am Nachmittag, entwickelte er immer besondere Beredsamkeit, und die Opposition zog sich auf ein anderes Thema zurück: Sie wollten ein

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