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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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darüber hinausgeht, ist Zucker, eine süße Zugabe. Wollen Sie uns nicht so eine Zugabe gönnen, Mr. Boxley?«
    Gewiss, Boxley wusste, dass er sich abends mit Wylie White ins Troc setzen und über Stahr herziehen konnte, [176] aber er hatte Lord Charnwood gelesen und begriff, dass Stahr wie Lincoln ein Anführer war, der einen langen Krieg an vielen Fronten führte; fast im Alleingang hatte er den Film im Laufe eines Jahrzehnts so weit vorangebracht, dass eine A-Produktion vielfältiger und gehaltvoller war als ein Bühnenstück. Stahr war Künstler nur in dem Sinne, wie Lincoln General gewesen war – notgedrungen und als Laie.
    »Kommen Sie mit ins Büro von La Borwits«, sagte Stahr. »Da brauchen sie dringend Zucker.«
    Im Büro von La Borwits saßen abgekämpft, in Rauchwolken gehüllt und handlungsunfähig zwei Drehbuchschreiber, eine Stenotypistin und ein Projektleiter noch so da, wie Stahr sie vor drei Stunden verlassen hatte. Er sah von einem zum anderen und fand – nichts. La Borwits bekannte seine Niederlage fast ehrfürchtig.
    »Wir haben zu viele Personen, Monroe.«
    Stahr schnaubte gutmütig.
    »Das ist die Grundidee des Films.«
    Er holte eine Handvoll Kleingeld aus der Tasche, sah zur Deckenleuchte hoch und warf einen halben Dollar in die Luft, der klappernd in der Lampenschale landete. Er besah sich die Münzen, die er noch in der Hand hielt, und griff einen Vierteldollar heraus.
    La Borwits machte ein klägliches Gesicht. Er kannte die Vorliebe Stahrs für dieses Spielchen und sah seine Felle davonschwimmen. Im Augenblick hatten ihm alle den Rücken gekehrt. Plötzlich verließen seine Hände ihre Ruhestellung unter dem Schreibtisch. Er warf sie hoch in die Luft, so hoch, dass es aussah, als wollten sie sich von den Handgelenken lösen, und fing sie im Herunterfallen [177] geschickt wieder auf. Danach ging es ihm besser. Er war wieder Herr der Lage.
    Auch einer der Drehbuchschreiber hatte Kleingeld herausgeholt, die Regeln wurden festgelegt. »Ihr müsst die Münze durch die Ketten werfen, ohne sie zu treffen. Alles, was in die Lampenschale fällt, ist der Pott.«
    Sie spielten eine halbe Stunde – alle bis auf Boxley, der ein wenig abseits saß und sich in das Script vertieft hatte, und die Stenotypistin, die Buch führte. Sie berechnete die Arbeitszeit der vier Spieler und kam auf sechzehnhundert Dollar. Zum Schluss hatte La Borwits 5,50 Dollar gewonnen, und ein Hausmeister kam mit einer Trittleiter, um das Geld aus der Schale zu holen.
    »Das hier ist gerade mal die Füllung für den Truthahn«, ließ sich Boxley unerwartet vernehmen.
    »Was?«
    »Aber kein Film.«
    Sie sahen ihn verblüfft an. Stahr unterdrückte ein Lächeln.
    »Hört, hört – da spricht der Fachmann!«, krähte La Borwits.
    »Jede Menge schöne Reden«, fuhr Boxley tapfer fort, »aber keine Action. Es soll schließlich kein Roman werden. Und es ist zu lang. Genau kann ich es nicht erklären, aber irgendwas stimmt mit dem Buch nicht. Und es lässt mich kalt.«
    Er spulte bei ihnen ab, was man ihm drei Wochen lang beigebracht hatte. Stahr wandte sich ab und beobachtete die anderen aus dem Augenwinkel.
    »Wir brauchen nicht weniger Personen«, sagte Boxley, »sondern mehr. Das ist es.«
    [178] »Das ist es«, bestätigten die Drehbuchschreiber.
    »Ja, das ist es«, echote La Borwits.
    Von der Aufmerksamkeit beflügelt, die er gefunden hatte, fuhr Boxley fort:
    »Man könnte es so machen, dass die Personen sich jeweils in einer anderen wiedererkennen. Der Polizist will gerade den Dieb verhaften, als er sieht, dass der sein Gesicht hat. Versuchen Sie es mal damit. ›Versetz dich an meine Stelle‹ – so könnte man den Film auch nennen.«
    Plötzlich lief es wieder. Sie reichten sich das neue Thema zu wie Musiker in einer Swingband, und schafften sich hinein. Möglich, dass sie es am nächsten Tag wieder verwerfen würden, aber zumindest hatten sie jetzt wieder Auftrieb – dank der Spielerei mit den Münzen und dank Boxley. Wieder einmal hatte Stahr die Situation gerettet, indem er sich nicht dazu hergab, den Sklaventreiber zu spielen, sondern sich vorkam und benahm und manchmal auch aussah wie ein kleiner Junge, der sich wie der Held des Tages fühlt.
    Im Gehen legte er Boxley eine Hand auf die Schulter – eine wohlerwogene Anerkennung, die verhindern sollte, dass die Meute über ihn herfiel und ihn in einer Stunde fix und fertig machte.
    *
    Dr. Baer wartete in seinem Büro zusammen mit einem Farbigen, der einen tragbaren

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