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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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eine angenehme Erinnerung an dich.«
    [182] »Ich kann nicht glauben, dass du das bist! Jetzt wirst du mir gleich gratulieren wollen.« Plötzlich lachte sie. »Hattest du dir das so zurechtgelegt? Ich weiß, wie schrecklich es klingt, wenn man sich etwas zurechtgelegt hat…«
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, noch einmal von dir zu hören«, versetzte er würdevoll, aber es nützte nichts, sie lachte wieder – das Lachen einer Frau, das wie Kinderlachen ist – nur ein kleiner freudiger Aufschrei.
    »Weißt du, wie ich mir in diesem Augenblick vorkomme?«, fragte sie. »Wie in London während einer Raupenplage, als mir so ein warmes pelziges Ding in den Mund gefallen war.«
    »Bedaure, aber…«
    »Komm, wach auf. Ich möchte dich sehen. Telefonisch kann ich nichts erklären. Für mich war es nämlich auch kein Spaß.«
    »Ich habe sehr viel zu tun. Heute Abend ist eine Voraufführung in Glendale.«
    »Soll das eine Einladung sein?«
    »Ich gehe mit George Boxley hin, dem englischen Schriftsteller.« Und zu seiner Überraschung hörte er sich fragen: »Möchtest du mitkommen?«
    »Wie könnten wir dann reden?« Sie überlegte. »Hol mich hinterher ab, dann fahren wir ein bisschen spazieren.«
    Miss Doolan versuchte, über den Diktographen einen Regisseur zwischenzuschalten, der gerade am Set war und drehte – die einzige Unterbrechung, die Stahr zuließ. Jetzt drückte er auf den Knopf und sagte ungeduldig: »Soll warten!«
    »Gegen elf?«, fragte Kathleen, die ihrer Sache sehr sicher zu sein schien.
    [183] Das Vorhaben, ein bisschen herumzufahren, war so unklug, dass er abgelehnt hätte, wenn ihm die passenden Worte eingefallen wären, aber er mochte nicht Raupe sein. Plötzlich war da keine Pose mehr, sondern nur noch das Gefühl, dass zumindest dieser Tag vollständig war. Er hatte einen Abend – einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.
    Er klopfte an die Fliegentür, hörte Kathleen von innen rufen und blieb wartend am Rand des abschüssigen Geländes stehen. Von weit her kam das Surren eines Rasenmähers – da schnitt tatsächlich jemand um Mitternacht das Gras in seinem Garten. Der Mond schien so hell, dass Stahr auf über dreißig Meter Entfernung deutlich erkennen konnte, wie der Mann stehenblieb und sich an den Griff gelehnt kurz ausruhte, ehe er das Gerät quer durch den Garten wieder zurückschob. Eine mittsommerliche Unruhe lag in der Luft – der August hatte begonnen, mit unbesonnener Liebe und impulsiven Verbrechen. Vom Sommer war nicht mehr viel zu erwarten, man war deshalb ängstlich bemüht, in der Gegenwart zu leben oder, wenn man keine Gegenwart zur Hand hatte, eine zu erfinden.
    Endlich kam sie – sehr verändert, sehr beschwingt. Sie trug ein Kostüm, dessen Rock sie, als sie gemeinsam nach unten zum Wagen gingen, immer wieder mit einer fröhlich-tapferen, unbekümmerten Bewegung raffte, als wollte sie sagen: »Schnall den Gürtel fester, Baby, auf geht’s, notfalls bis zum Nordpol.« Stahr war in der Limousine mit Chauffeur gekommen, und die Intimität der vier Wände, in denen sie in der Dunkelheit über immer neue Kurven davonbrausten, ließ das Gefühl der Fremdheit sofort verschwinden. [184] Der kleine Ausflug war mit das Schönste, was er je erlebt hatte. Es war eine dieser Stunden, in denen er wusste: Wenn er schon sterben musste, dann nicht heute Nacht.
    Sie erzählte ihm ihre Geschichte. Eine Weile saß sie kühl und strahlend neben ihm, sprach schnell und erregt auf ihn ein, nahm ihn mit an ferne Orte, stellte ihm Menschen vor, die sie gekannt hatte. Zuerst war die Geschichte unübersichtlich. »Dieser Mann« war derjenige, den sie geliebt und mit dem sie gelebt hatte. »Dieser Amerikaner« war der Mann, der sie gerettet hatte, als sie im Treibsand zu versinken drohte.
    »Und wer ist… der Amerikaner?«
    Was galten schon Namen? Kein wichtiger Mann wie Stahr, nicht reich. Er hatte in London gelebt, und jetzt würde er hier leben. Sie würde eine gute Ehefrau sein, ein normaler Mensch. Er bemühte sich um die Scheidung – nicht ihretwegen –, aber das war der Grund für die Verzögerung.
    »Aber der erste Mann, wie bist du da hineingeraten?«, wollte Stahr wissen.
    Zuerst war er ein Glücksfall gewesen. Vom sechzehnten bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr ging es nur darum, genug zum Essen zu haben. An dem Tag, als ihre Stiefmutter sie bei Hofe vorstellte, hatten sie dafür einen Shilling, gerade genug, um nicht zusammenzubrechen, Sixpence für jede, aber die Stiefmutter

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