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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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verkündete er [169] beglückt. Alles – damit meinte er unter anderem auch die zwei Jahre in Florenz, wo ich es gegen jede Wahrscheinlichkeit fertiggebracht hatte, meine Unschuld zu behalten, und das Debüt in Boston, Massachusetts. Ich war eine veritable Blüte der guten alten Geld-und-Banausen-Aristokratie.
    Deshalb stand für mich fest, dass er was für Martha Dodd tun würde, und auf dem Weg zu seinem Büro bildete ich mir ziemlichen Schwachsinn ein: Auch für Johnny Swanson, den Cowboy, würde ich was tun, und für Evelyn Brent und alle möglichen abgetakelten Größen. Vater war – mal abgesehen von dem Tag, als wir uns in New York so überraschend begegnet waren – ein liebenswerter, mitfühlender Mensch, es hatte was Rührendes, dass er mein Vater war, mein Vater, wohlgemerkt: Er würde alles für mich tun.
    Im Vorzimmer war nur Rosemary Schmiel, die vor dem Apparat von Birdy Peters saß und telefonierte. Sie bedeutete mir, ich solle mich setzen, aber beseelt von meiner Mission sagte ich zu Martha, sie solle es sich bequem machen, drückte den Schalter unter Rosemarys Schreibtisch und ging auf die offene Tür zu.
    »Dein Vater ist in einer Besprechung«, rief Rosemary mir nach. »Das heißt, nicht direkt in einer Besprechung, aber ich soll…«
    Inzwischen hatte ich durch die offene Tür einen kleinen Vorraum und durch eine zweite das Büro betreten und kam dazu, wie Vater, verschwitzt und in Hemdsärmeln, ein Fenster aufzumachen versuchte. Es war heiß, aber so heiß nun auch wieder nicht, und ich dachte, ihm sei schlecht.
    »Nein«, sagte er. »Alles in Ordnung. Was gibt’s?«
    Ich sagte es ihm. Ich setzte ihm, im Zimmer auf und ab [170] gehend, ausführlich meine Theorie über Menschen wie Martha Dodd auseinander. Wie er sie sich nutzbar machen und ihnen regelmäßige Beschäftigung garantieren konnte. Er folgte meinen Ausführungen scheinbar hingerissen, nickte immer wieder zustimmend, und ich fühlte mich ihm so nah wie schon lange nicht mehr. Ich trat zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er zitterte, und sein Hemd war klatschnass.
    »Du fühlst dich nicht wohl«, sagte ich. »Oder du steckst in der Patsche.«
    »Unsinn.«
    »Komm, sag schon – was ist los?«
    »Stahr ist los. Tag und Nacht trampelt er auf meinen Nerven rum, dieser gottverdammte kleine Vine-Street-Heiland.«
    »Wie denn?«, fragte ich hörbar frostiger.
    »Er sitzt da wie ein gottverfluchter kleiner Pfaffe oder Rabbi und verkündet, was er tun und nicht tun wird. Ich kann’s dir jetzt nicht erzählen, ich bin am Durchdrehen. Am besten verziehst du dich jetzt.«
    »So kannst du nicht unter die Leute.«
    »So geh doch endlich!«
    Ich schnupperte, aber er trank ja nie was. »Kämm dich, ich möchte, dass du mit Martha Dodd sprichst«, sagte ich.
    »Hier? Da werde ich sie nie wieder los.«
    »Gut, dann draußen. Wasch dich erst, zieh dir ein frisches Hemd an.«
    Mit einer übertriebenen Geste der Verzweiflung verschwand er in dem kleinen angrenzenden Badezimmer. In seinem Büro war es so heiß, als hätte hier seit Stunden [171] niemand mehr gelüftet, vielleicht war ihm deshalb schlecht geworden. Ich machte noch zwei Fenster auf.
    »Geh schon immer«, rief Vater hinter der geschlossenen Badezimmertür. »Ich komme gleich.«
    »Du musst wirklich nett zu ihr sein. Keine Almosen, hörst du?«
    Als ob Martha ihren Senf dazugeben wollte, kam von irgendwoher ein leises, langgezogenes Stöhnen. Ich fuhr zusammen und blieb dann wie erstarrt stehen, denn da kam es noch mal, nicht aus dem Bad, wo Vater war, nicht von draußen, sondern aus einem Wandschrank mir gegenüber. Woher ich den Mut nahm, weiß ich nicht, aber ich lief hin und machte ihn auf, und heraus kollerte wie eine Filmleiche Vaters Sekretärin Birdy Peters. Sie war splitternackt und brachte einen Schwall dumpfer, miefiger Luft mit. Sie landete, in einer Hand noch ein paar Kleidungsstücke, auf der Seite und blieb schweißgebadet liegen. In diesem Moment kam Vater aus dem Bad. Ich spürte ihn hinter mir und brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, was für ein Gesicht er machte, schließlich überraschte ich ihn ja nicht zum ersten Mal.
    »Leg ihr was über«, sagte ich und griff selbst nach einer Decke von der Couch. »Los, leg ihr was über!«
    Dann ging ich. Rosemary Schmiel warf mir einen entsetzten Blick zu. Ich habe sie nie wiedergesehen und Birdy Peters auch nicht.
    »Was ist denn, Kind?«, fragte Martha im Hinausgehen, und als ich nicht antwortete: »Du hast

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