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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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getan, was du konntest. War wohl kein günstiger Moment. Pass auf, ich nehme dich mit zu einer sehr netten Engländerin. Hast du [172] die Frau an unserem Tisch gesehen, mit der Stahr neulich getanzt hat?«
    Und so kam ich um den Preis eines kleinen Abstechers durchs Familienleben zu dem, was ich hatte haben wollen.
    Von unserem Besuch ist mir nicht viel in Erinnerung geblieben – schon deshalb, weil sie nicht zu Hause war. Die Fliegentür war unverschlossen, und Martha ging hinein und rief plump-vertraulich: »Kathleen!« Das Zimmer, das wir zu sehen bekamen, war kahl und steril wie in einem Hotel. Ein paar Blumen standen da, aber sie sahen nicht aus wie Blumen, die ihr jemand geschickt hatte. Auf dem Tisch lag ein Zettel: »Lassen Sie das Kleid da. Bin auf Jobsuche. Komme morgen vorbei.«
    Martha las ihn zweimal, aber für Stahr schien er nicht zu sein. Wir warteten fünf Minuten. Wie still so ein Haus sein kann, wenn seine Bewohner nicht da sind. Ich erwarte gar nicht, dass es ausgelassen herumspringt, aber die Sache ist doch irgendwie bedenkenswert, finde ich. Völlig regungslos. Fast prüde. Nur eine Fliege hält die Stellung und ignoriert einen, und ein Gardinenzipfel weht im Wind.
    »Was für ein Job mag das sein?«, überlegte Martha. »Am Sonntag ist sie mit Stahr weggefahren.«
    Aber das interessierte mich nicht mehr. Ich kam mir furchtbar fehl am Platz vor. Produzentenblut, dachte ich entsetzt, und zog Martha fast panisch in den friedlichen Sonnenschein hinaus. Nur wurde davon nichts besser, meine Stimmung blieb schwarz und verfinstert. Ich war immer stolz auf meinen Körper gewesen, er war geradlinig und ausgewogen, fand ich, so dass mir alles, was er machte, gut [173] und richtig vorkam. Und es gibt wohl keinen Ort – Kirchen und Büros und Grabmale eingeschlossen –, wo Menschen sich noch nicht in den Armen gelegen haben, aber dass mich jemand an einem ganz gewöhnlichen Tag mitten in der Woche nackt in ein Loch in der Wand gesteckt hätte, war mir noch nie passiert.

[174] 13
    »Wenn Sie in einem Drugstore wären«, sagte Stahr, »um sich auf Rezept eine Medizin zu holen…«
    »Meinen Sie eine Apotheke?«, fragte Boxley.
    »Wenn Sie in einer Apotheke wären«, verbesserte Stahr sich nachgiebig, »um Medizin für jemanden aus der buckligen Verwandtschaft zu holen, der sterbenskrank ist…«
    »Einen Angehörigen meinen Sie?«, vergewisserte sich Boxley.
    »Genau. Dann wäre das, was Sie dabei durchs Fenster beobachten, was Sie ablenkt und fesselt, vermutlich Material für einen Film.«
    »Sie meinen einen Mord draußen vor dem Fenster.«
    »Typisch!« Stahr lächelte. »Es könnte eine Spinne sein, die ihr Netz an der Scheibe knüpft.«
    »Ja, natürlich. Ich verstehe.«
    »Sie verstehen es eben leider nicht, Mr. Boxley. Sie verstehen es aus der Sicht Ihres, aber nicht unseres Mediums. Sie behalten die Spinnen für sich und versuchen die Morde uns anzuhängen.«
    »Es wird am besten sein, wenn ich abreise«, sagte Boxley. »Ich nütze Ihnen nichts. Jetzt bin ich seit drei Wochen hier und habe nichts zustande gebracht. Ich mache Vorschläge, aber niemand schreibt sie auf.«
    [175] »Ich möchte, dass Sie bleiben. Etwas in Ihnen lehnt den Film ab, sträubt sich dagegen, eine Geschichte auf diese Art zu erzählen…«
    »Es ist eine verdammte Plage«, brach es aus Boxley heraus. »Man kann nie machen, was man will…«
    Er verstummte. Ihm war bewusst, dass Steuermann Stahr sich in einem tosenden Sturm Zeit für ihn nahm, dass sie ihr Gespräch zwischen den knarrenden Masten eines Schiffes führten, das in unbeholfenem Zickzackkurs auf offener See kreuzte. Dann wieder kam er sich vor, als wären sie in einem riesigen Steinbruch, wo man sogar auf dem neugewonnenen Marmor noch die Spuren eines alten Frieses und halbverwischte Inschriften aus vergangenen Zeiten ausmachen konnte.
    »Ich denke immer, wie schön es wäre, wenn Sie jedesmal ganz neu anfangen könnten«, sagte Boxley. »Diese Massenproduktion…«
    »Das ist die Bedingung«, sagte Stahr. »Irgendeine miese Bedingung ist immer dabei. Wir drehen gerade einen Film über Rubens. Stellen Sie sich mal vor, ich verlange von Ihnen, dass Sie Porträts von reichen Säcken wie Pat Brady und mir und Gary Cooper und Marcus verfertigen, während Ihnen nichts wichtiger ist, als Jesus Christus zu malen. Damit hätten Sie dann Ihre Bedingung. Für uns lautet die Bedingung, dass wir das, was das Volk besonders liebt, bunt aufputzen und zurückgeben. Alles, was

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