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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Kohlenpfanne an einem kühlen Abend.
    »Dein Vater braucht nichts davon zu erfahren. Könnten wir vielleicht tun, als wäre der Mann so was wie ein bulgarischer Musikant?«
    »Die verkleiden sich heutzutage nicht mehr«, sagte ich.
    Es war komplizierter, als ich gedacht hatte. Stahrs Verhandlungen mit der Writers’ Guild, die seit über einem Jahr liefen, hatten sich mehr und mehr festgefahren. Vielleicht hatten sie Angst davor, korrumpiert zu werden, und ich wurde gefragt, wie denn Stahrs »Angebot« aussah. Hinterher erzählte mir Stahr, dass er zur Vorbereitung des Gesprächs die russischen Revolutionsfilme aus seinem privaten Filmarchiv abgespielt hatte, außerdem Doktor Caligari und Salvador Dalís Un Chien Andalou, vielleicht meinte er, sie könnten für das Thema von Belang sein. In den zwanziger Jahren hatten die russischen Filme ihn nachdrücklich aufgeschreckt, und er hatte, einem Vorschlag von Wylie White folgend, bei der Scriptabteilung ein zweiseitiges »Treatment« des Kommunistischen Manifests angefordert.
    Aber er fand keinen Zugang zu dem Thema. Er war Rationalist, bildete sich sein eigenes Urteil, ohne auf Bücher zurückzugreifen – und hatte gerade erst den Schritt aus tausend Jahren Judentum ins späte achtzehnte Jahrhundert [195] geschafft. Mit ansehen zu müssen, wie es ihnen unter den Händen zerrann, tat ihm weh; er hing mit der leidenschaftlichen Loyalität des Aufsteigers einer imaginären Vergangenheit an.
    Das Gespräch fand in dem Raum statt, den ich immer das Luxuslederzimmer nannte – eines von sechs Zimmern, die ein Innenarchitekt von Sloane’s vor Jahren für uns eingerichtet hatte; der Name war mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es war die typische Kreation eines Innenarchitekten – ein Teppich aus Angorawolle in einem unglaublich zarten Dämmergrau, auf den man kaum zu treten wagte; die silberne Täfelung, die Ledertische und cremefarbenen Bilder und zerbrechlichen Objekte sahen so aus, dass wir dort nicht richtig ein- und auszuatmen wagten. Aber von der Tür aus gesehen war es, wenn die Fenster offenstanden und die Vorhänge sich wispernd gegen den Luftzug wehrten, ein wunderschöner Anblick. Das Zimmer stammte in direkter Linie von den alten amerikanischen Salons ab, die nur am Sonntag aufgesperrt wurden. Für diesen Anlass aber war es genau richtig, und ich hoffte, die heutige Begegnung würde ihm – mochte sie verlaufen, wie sie wollte – ein eigenes Gesicht geben, so dass es danach dann wirklich Teil unseres Hauses werden konnte.
    Stahr kam zuerst, blass und nervös, nur seine Stimme war ruhig und einfühlsam wie immer. Er hatte eine ganz eigene, unerschrockene Art, Menschen entgegenzutreten – er ging geradewegs auf sie zu, räumte fort, was im Wege war, und ließ sich, als könnte er gar nicht anders, immer wieder neu auf sie ein. Ich gab ihm einen Kuss, ohne recht zu wissen, warum, und führte ihn in das Luxuslederzimmer.
    [196] »Wann gehst du zurück ans College?«, fragte er.
    Dieses spannende Thema hatten wir ja schon einmal abgehandelt.
    »Würdest du mich mögen, wenn ich ein bisschen kleiner wäre?«, fragte ich. »Ich könnte flache Schuhe tragen und mein Haar mit Pomade bändigen.«
    »Wenn du willst, lade ich dich heute zum Abendessen ein. Die Leute werden denken, dass ich dein Vater bin, aber das stört mich nicht.«
    »Ich liebe ältere Herren«, beteuerte ich. »Wenn der Mann nicht gerade an Krücken geht, ist es auch nicht anders, als wenn ein Junge was mit einem Mädchen hat.«
    »Verfügst du über zahlreiche einschlägige Erfahrungen?«
    »Genug.«
    »Ja, das ist wohl heute so üblich – man verliebt sich schnell und geht ebenso schnell wieder auseinander.«
    »Laut Fanny Brice ungefähr alle drei Jahre. Hab ich gerade in der Zeitung gelesen.«
    »Wie machen die Leute das bloß?«, überlegte er. »Es muss so sein, denn ich sehe es ja. Aber sie sind scheinbar jedesmal ihrer Sache so sicher – und plötzlich ist es aus. Aber beim nächsten Mal ist es dann ganz genauso.«
    »Du machst zu viele Filme.«
    Er war mit dem Thema noch nicht fertig. »Ob sie wohl beim zweiten oder dritten oder vierten Mal ihrer Sache immer noch so sicher sind?«
    »Jedes Mal mehr«, sagte ich. »Und am meisten beim letzten Mal.«
    Er dachte nach. »Klingt gut«, meinte er zustimmend. »Am meisten beim letzten Mal.«
    [197] Sein Ton gab mir zu denken, und ich begriff plötzlich, dass er hinter seiner Fassade sehr unglücklich war.
    »Es ist schon eine Plage«, sagte er.

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