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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Insekt, das hilflos im Spinnennetz zappelte. Isabella war die Spinne, und er war das Opfer.
    Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Liebster, ich helfe dir deine Sachen auspacken. In zwei Stunden bittet Capitán Steel uns an den Offizierstisch.«
    Er schüttelte wild den Kopf. »Untersteh dich, meine Sachen anzurühren!«
    Es klopfte. Isabella rief: »Herein!«
    »Verzeiht die Störung, Mylady.« In der Tür stand Stonewell, verbeugte sich vor Isabella und wandte sich dann an Vitus: »Sir, ich wollte Euch nur melden, dass für Mister Pigetts Beerdigung alles in die Wege geleitet ist. Allerdings wird sie wohl erst stattfinden, nachdem wir abgelegt haben.«
    »Vielen Dank, Stonewell, gute Arbeit.«
    »Mylady …« Stonewell verbeugte sich abermals höflich vor Isabella. »Ich darf mich empfehlen und freue mich schon auf unser gemeinsames Abendessen beim Captain.«
    Als Stonewell fort war, ging mit Isabella eine Wandlung vor sich. Eben noch von zuckersüßem Gehabe, sprühte sie jetzt vor Hass. »Pigett, dieses Schwein!«, rief sie, wobei sie das Wort Schwein regelrecht ausspie. »Der hat die längste Zeit Frauen vergewaltigt!«
    »Du weißt also, was ihm widerfahren ist?«, fragte Vitus verwundert.
    »Und ob ich das weiß!«
    Vitus musste an den Matrosen denken, der aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkt haben wollte, bevor Pigett über Bord fiel. Ein furchtbarer Verdacht keimte in ihm auf. »Sag mal, du hast doch wohl nicht Pigett …?«
    »Natürlich habe ich es getan! Das Schwein hat es verdient, tausend Tode zu sterben. Als ich ihn heute Nachmittag an Bord sah, stand für mich sofort fest, dass ich mich rächen würde. Er beugte sich weit über die Reling und wollte irgendetwas am Schiffsrumpf untersuchen, ich brauchte ihm nur in seinen verdammten
culo
zu treten, um ihn für immer in die Hölle zu befördern.«
    Vitus war fassungslos. Was war das nur für eine Frau! Eine Teufelin! Eine Furie! »Für diesen Mord wirst du geradestehen müssen. Ich werde dich noch heute der Gerichtsbarkeit übergeben.«
    »Das wirst du nicht.«
    »Ich wüsste nicht, was mich daran hindern sollte.«
    Isabella setzte wieder ihr genüssliches Lächeln auf. »Die Tatsache, dass ich deine Frau bin.«
    »Ich werde sagen, dass du nicht meine Frau bist.«
    »Aber was bin ich dann? Deine Geliebte? Das hatten wir doch schon einmal, Liebster.«
    »Nenne mich nicht Liebster.« Vitus gab es auf. Sie war die Spinne, er das Opfer. Er konnte nichts unternehmen, ohne einen Skandal zu verursachen. Doch ein Skandal musste um jeden Preis vermieden werden – schon allein Ninas wegen, deren Gefühle auf keinen Fall verletzt werden durften. »Ich gehe«, sagte er.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich weiß es nicht. Irgendwohin, wo Luft zum Atmen ist.« Er stieg an Deck, wehrte Stonewell ab, der ihm die Behandlungsräume im Schiff zeigen wollte, und ging über die Laufbrücke an Land. Der Kopf schwirrte ihm vor Gedanken, die alle unerfreulich waren und sich gegen jegliche Einordnung wehrten. Das Einzige, was er wahrnahm, war ein großer Schriftzug an einem Gebäude außerhalb der Sperrzone.
Shark’s Inn
stand da in blutigen Buchstaben, und obwohl das nicht sehr einladend klang, lenkte er seine Schritte dorthin. Im Augenblick war ihm jede Abwechslung recht.
    Drinnen war es nicht gerade voll, was an der frühen Abendstunde liegen mochte. Immerhin scharten sich ein paar Zecher neben dem Schanktisch um einen drahtigen Burschen, der den Dudelsack blies und gleichzeitig zu seiner eigenen Musik tanzte. Ein paar der umstehenden Männer klatschten im Takt mit und feuerten den Spieler an. Sie kamen Vitus bekannt vor, und er blickte näher hin. Donnerwetter, das waren ja einige der
Falcons!
Freude durchzuckte ihn. Vertraute, fast familiäre Gefühle kamen auf. Er erkannte Muddy und Chock. Und Ted, den Jungen mit den scharfen Augen. Dazu Dunc, den Veteranen, der Taggarts Golddublone in der Schädeldecke trug. Ohne sich zu besinnen, rief er Taggarts Satz: »He, Dunc, wie geht es meinem Gold?«
    Dunc antwortete mechanisch: »Weiß nicht, Sir, habe zu viel im …«, bevor er in Vitus’ Richtung blickte. Dann aber bekam er große Augen. »Der Cirurgicus! Mensch, Leute, guckt mal, der Cirurgicus!«
    Die Musik brach ab, und aller Augen waren plötzlich auf Vitus gerichtet. Ein weiterer Ruf durchbrach die Stille: »Ich werd verrückt, er ist es tatsächlich!« Die Stimme gehörte dem Dudelsackspieler. Es war McQuarrie.
    Nach der lautstarken Begrüßung, einer Mischung

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