Die Liebe des Wanderchirurgen
bleiben darf.«
»Der Zwerg in meiner Begleitung schläft stets in der Nähe der Feuerstelle, um ihn braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen.«
»Das mache ich auch nicht.« Steel hob verschmitzt den Zeigefinger. »Und um Euch, Cirurgicus, erst recht nicht. Ihr habt es wirklich sehr gut getroffen, wenn ich so sagen darf.«
»Was meint Ihr damit, Captain?«
»Nichts, nichts. Nur so viel: Eure Kammer ist an Steuerbord, am Ende der Galerie.«
»Danke, bitte entschuldigt mich jetzt.«
»Aber gern, wir sehen uns später.«
Vitus trat vor die Tür, ergriff seine Kiepe, die er draußen hatte stehenlassen, und ging die wenigen Schritte hinüber zu seiner neuen Bleibe. Er hoffte, sie würde etwas größer sein als Doktor Halls Kammer auf der
Falcon.
Er stieg über das Süll, trat ein und sah, dass seine Hoffnung sich erfüllte. Der Raum war tatsächlich größer. »Gott sei Dank, etwas mehr Platz«, murmelte er.
»Guten Tag, Vitus.«
Er fuhr herum und sah – Isabella.
Er brauchte einige Augenblicke, um die Sprache wiederzufinden. »Was machst du denn hier?«, fragte er nicht gerade freundlich.
Sie schien seinen abweisenden Ton nicht zu bemerken, denn sie strahlte: »Das siehst du doch. Ich wohne hier.«
»Ja, aber …« Jetzt begriff er gar nichts mehr. »Was machst du überhaupt auf dem Schiff?«
»Wie gesagt, ich wohne hier.«
»Dummes Geschwätz!«
»Na, na.« Isabella drohte neckisch mit dem Zeigefinger. »Spricht man so mit seiner Ehefrau?«
»Was?«
»Du hast richtig gehört: Ich bin Lady Nina, deine Frau. Capitán Steel war entzückt, als ich schon heute Mittag anreiste und hat mir – das heißt, uns – persönlich diese Kammer zugewiesen. Gefällt sie dir?«
Vitus kämpfte die aufkeimende Wut nieder. Etwas derart Dreistes hatte er noch nie erlebt. »Aber das Ganze ist doch lächerlich! Verschwinde! Geh mir aus den Augen, von mir aus geh dahin, wo der Pfeffer wächst. Ich habe mit dir nichts zu schaffen.«
»O doch, das hast du. Schließlich sind wir verheiratet. Jeder auf dem Schiff weiß es.«
»Dann werde ich die Sache richtigstellen.«
»Ach ja? Und was willst du den Herrschaften sagen? Dass ich nicht deine Frau bin? Dass ich nur deine Geliebte bin? Dass der Earl of Worthing, von Elizabeth I. persönlich in den Adelsstand erhoben, mit seiner Geliebten auf Feindfahrt gehen wollte, es sich jetzt aber anders überlegt hat?«
»Ich … ich … werde eine Lösung finden.«
»Nenne sie mir, mein treuer Ehemann.« Isabella lächelte süß mit ihren lückenlosen Zähnen.
Er setzte sich auf eine der Kojen. Die Situation, in die Isabella ihn gebracht hatte, war absurd. Es musste eine einfache Lösung geben, sie zu beenden. »Ich werde sagen, das Ganze ist ein Missverständnis, eine Verwechslung!«
Sie lachte genüsslich. »Die eigene Ehefrau verwechselt man nicht.«
»Du bist Spanierin. Ich werde sagen, du wolltest nach Hause, um deine Eltern zu besuchen, hättest aus Versehen das falsche Schiff erwischt … äh, nein, warte …« Er merkte selbst, welch ungereimtes Zeug er daherredete. »Ich werde sagen, du seist eine ganz durchtriebene Hochstaplerin!«
»Eine Hochstaplerin, die den echten Ring der Lady Nina trägt?« Sie hielt ihm ihre Hand hin, an deren einem Finger tatsächlich Ninas Ring saß. »Es ist der Ring, der in deinem Ring seine Entsprechung findet.«
»Du … du Diebin!« Er wollte sich auf sie stürzen, musste aber daran denken, wie dünn die Holzwände waren. Ihre Schreie hätte man auf dem ganzen Schiff gehört. »Ich … ich werde Captain Steel sagen, dass ich nachts stark schnarche, und um eine zweite Kammer für mich bitten.«
»Eine solche gibt es nicht. Oder willst du als Arzt unten in der Bilge hausen? Ich kann dir aus eigener Erfahrung versichern, dass der Aufenthalt dort alles andere als kurzweilig ist.«
»Ich … ich …«
Sie lächelte noch immer genüsslich. »Ergib dich einfach in dein Schicksal, Liebster. Es gibt hässlichere Frauen als mich. Die Blicke, die man mir zuwarf, als ich an Bord ging, haben es mir bestätigt.«
»Ha, ich hab’s! Ich werde die Wahrheit sagen, ganz einfach die Wahrheit, dann klärt sich alles auf!«
»Und was wird Nina zu der Wahrheit sagen?«
»Ich …« Er schwieg. Der Gedanke, wie unsagbar verletzt sie sein würde, schmerzte ihn fast körperlich. Er grübelte hin und her, doch ihm fiel nichts mehr ein. Immer wenn er dachte, er hätte eine Lösung gefunden, erwies sie sich als undurchführbar. Er kam sich vor wie ein
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