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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Vers aus dem Matthäusevangelium.«
    »Wovon redest du?« Sie wandte sich ihm wieder zu, aber er hatte seine Blöße bereits verhüllt.
    »Von Steels Morgenandacht, in der er von dem Mond und seinem verschwindenden Schein gesprochen hat. Es ist eine Passage aus dem Matthäusevangelium, ich glaube, Kapitel dreiundzwanzig oder vierundzwanzig.«
    »Es scheint, du kennst dich aus in der Schrift.« Isabellas Stimme klang, als mache sie sich über ihn lustig.
    »Vergiss nicht, ich bin Klosterschüler gewesen«, sagte er ernst.
    »So hast du dich letzte Nacht auch verhalten.«
    Darauf fiel ihm nichts ein. Er zog sich fertig an, setzte ein Barett auf und wollte an Deck gehen, doch sie hielt ihn auf. »Warte, ich komme mit.«
    »Ich weiß nicht, ob Captain Steel das gern sähe.«
    »Das wird er bestimmt. Ich weiß, wie man ältere Herren um den Finger wickelt.«
    Das kann ich mir vorstellen, wollte er sagen, unterließ es aber. »Na schön, dann komm mit.«
    An Deck erklommen sie den Niedergang hinauf zum Kommandostand und entdeckten dort McQuarrie und Abbot. Die beiden Schotten hatten ein scharfes Auge auf die Fahrt der
Camborne,
die unter einem grauen Himmel die See durchpflügte. Vor ihr kreuzte das Geschwader auf der erwünschten Luvposition und davor in dichter Formation die Armada.
    Isabella wollte angesichts des gewaltigen Halbmonds einen Schrei des Entzückens ausstoßen, wurde aber durch einen Ruf aus dem Krähennest des Fockmasts daran gehindert: »Schiffe voraus!«
    »Was für Schiffe?« Die Frage kam von Kapitän Steel, der in diesem Moment hinzutrat.
    »Drakes Geschwader, Sir! Ich erkenne die
Revenge
und die
White Bear!
«
    »Gut. Hat es also doch geklappt! Wollen mal sehen, ob wir die Dons nicht von zwei Seiten angreifen können! Mister Abbot, lasst die Bramsegel an Haupt- und Fockmast setzen, wir wollen näher ran an Howards Geschwader.«
    »Aye, aye, Sir.« Abbot waltete seines Amtes.
    »Nun, Mylady« – Steel wandte sich mit einer Verbeugung an Isabella –, »wie ich sehe, habt Ihr mit Eurem Gatten den Weg zum höchsten Punkt meines Schiffs gefunden. Ihr werdet von hier eine treffliche Aussicht haben, wenn unsere Geschwader den Kampf gegen die Armada aufnehmen. Allerdings muss ich darauf bestehen, Euch unter Deck schicken zu dürfen, wenn die Situation brenzlig wird.«
    Isabella strahlte ihn an. »Aber wir sind doch nur ein Lazarettschiff und werden nicht aktiv in die Kämpfe eingreifen, Capitán, oder?«
    »Stimmt, Mylady. Wir sind nur ein Lazarettschiff. Aber im Zweifelsfall werden wir nicht tatenlos zusehen, wenn uns jemand an die Gurgel will. Wir werden den Dons dann eine gehörige Lektion erteilen.«
    »So, werdet Ihr das?«
    Etwas in Isabellas Augen warnte Steel. Er trat einen halben Schritt zurück und verbeugte sich wieder, diesmal allerdings recht hastig. »Verzeihung, Mylady, mir fällt gerade ein, dass Ihr Spanierin seid. Vielleicht schlägt Euer Herz für die Sache der Armada.« Er machte eine Pause und fügte dann geschmeidig hinzu: »Andererseits schlägt es sicher auch für uns, denn Ihr seid die Gemahlin eines englischen Earls.«
    »Das bin ich.« Isabella schaute wieder etwas verbindlicher drein. »Aber ich bin auch eine Nichte des Herzogs von Medina Sidonia, Alonso Pérez de Guzmán El Bueno, und ebender ist Oberbefehlshaber der Armada. Sagen wir also, der Bessere möge gewinnen.«
    Steel schien Zweifel an der hohen Abstammung seines Gasts zu haben, dennoch wirkte er erleichtert. »Ha, ha, sehr gut gesagt, darauf können wir uns einigen, Mylady. Der Bessere möge gewinnen!«
    Doch bevor die eigentlichen Kämpfe begannen, preschte die kleine
Disdaine
vor, schoss eine Kugel in Richtung Armada und machte, dass sie wieder zurück ins eigene Geschwader kam. Steel sah es und kommentierte das Geschehen: »Dass ausgerechnet die
Disdaine
den eisenrunden Fehdehandschuh hingeworfen hat, passt gut, denn mehr als Verachtung haben wir für die Dons nicht übrig.«
    Auf Isabellas Stirn entstand eine steile Falte, und Vitus raunte ihr rasch zu: »Du wirst jetzt schweigen, Liebste, oder in deine Kammer zurückgehen!«
    Und Isabella schwieg tatsächlich in den kommenden Stunden, denn sie wollte unbedingt die Kämpfe sehen. Sie litt und frohlockte wortlos, je nachdem, welche Seite im Vorteil war. Ihre Augen jubelten, als das Levante-Geschwader zu Howards Schiffen auf Parallelkurs ging, um die Schlacht zu eröffnen, sie verdunkelten sich, als sie sah, dass die Engländer dreimal so schnell schossen wie ihre

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