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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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einem Gesellschaft leistet, mag es gar nicht so schlimm sein, ha, ha!«
    »Gewiss, Captain.« Vitus fand die Antwort nicht sonderlich komisch.
    »Da, Sir!« McQuarrie riss den Arm hoch. »Das Flaggschiff signalisiert ›Feind in Sicht‹!«
    »Donnerwetter, ja!« Steel schirmte mit der Hand die Augen ab, konnte aber nichts von den Spaniern erkennen. »Verdammter Regen!«
    Fünf Minuten später rief er nochmals »Verdammt!«, aber aus einem anderen Grund. Er hatte die Armada entdeckt. Wie alle Kapitäne wusste er, dass sie aus rund hundertdreißig Schiffen bestand, und insofern war er auf einiges gefasst. Aber das, was er sah, hatte er nicht in seinen kühnsten Träumen erwartet. Es war eine Wand von Schiffen, der sie sich näherten. Eine braun-schwarze Masse von kanonenbewehrten Rümpfen, dicht an dicht segelnd, in Form eines riesigen Halbmonds.
    McQuarrie stieß einen Pfiff aus, der sowohl Erstaunen als auch Ehrfurcht ausdrücken mochte. »Da sage noch einer, die Dons seien schlechte Seefahrer! Sie haben eine Formation gebildet, die ideal für ihre Zwecke ist. Der Halbmond eröffnet ihnen alle Möglichkeiten, sich zu schützen, aber auch im Bedarfsfall anzugreifen. Wehe dem, der sich zwischen die Spitzen dieses Halbmonds wagt.«
    Steel hatte sich wieder gefangen. »Alles schön und gut«, dröhnte er, »aber sobald wir die Luvstellung gewonnen haben, wird der Lordadmiral sich schon den einen oder anderen fetten Don herauspicken. In jedem Fall können wir uns glücklich schätzen, dass der Halbmond nicht Kurs auf Plymouth genommen hat, sondern weiter in Richtung Osten segelt. Wie man hört, will der Herzog von Medina Sidonia sich mit den Truppen des Herzogs von Parma verstärken, um unser gutes, altes England zu überfallen. Aber diese Suppe werden wir dem Herrn versalzen!
    »Es dürfte noch einige Stunden dauern, bis wir den Windvorteil auf unserer Seite haben, Sir«, sagte McQuarrie.
    »Das sehe ich auch so. Bis dahin entschuldigt mich, meine Herren. Wenn etwas Ungewöhnliches eintritt, will ich sofort informiert werden.«
    »Aye, aye, Sir!«, schnarrte McQuarrie.
    Steel verschwand in sein Reich, und Vitus hatte Gelegenheit, das majestätische Dahingleiten des Halbmonds weiter zu bewundern. »Jetzt weiß ich, warum manche von der unüberwindlichen Armada sprechen«, sagte er mehr zu sich selbst.
    »Aye, Sir.« McQuarrie grinste mit dem typischen Selbstbewusstsein des Schotten. »Aber wir wollen sie ja nicht überwinden, wir wollen sie nur abwehren. Und das werden wir, Gott sei’s getrommelt und gepfiffen, wie Captain Taggart immer zu sagen pflegt!«
    Vitus nickte und entdeckte mehr und mehr Besonderheiten an der Armada: die bunten Wimpel der einzelnen Geschwader – die der Kastilier, der Andalusier, der Levantiner und anderer, er sah ihre unterschiedlichen Bauweisen und Bestimmungen, erkannte, dass viele von ihnen turmhohe, aber schwach bestückte Kauffahrer waren, bemerkte, dass die stärksten Galeonen den Verband nach außen hin absicherten, und stellte sich vor, dass auf diesem hölzernen Halbmond nicht weniger als zwanzigtausend schwerbewaffnete Soldaten segelten und Hunderte von Pferden transportiert wurden. Er fragte sich, ob es wirklich stimmte, dass der Halbmond ganze Schiffsladungen von Geißeln enthielt, um die blonden englischen Frauen für ihr Ketzertum zu züchtigen, ob Tausende von Ammen mitfuhren, um nach den Kämpfen die zu Waisen gewordenen Säuglinge zu stillen, ob Folterinstrumente ohne Zahl mitgeführt wurden, Marterwerkzeuge, wie Daumenschrauben, Stachelstühle und Streckbänke, ob zweihundert Priester und Prediger die Mission begleiteten, um die Lehren der allein seligmachenden katholischen Kirche zu verbreiten, ob Gluteisen dazugehörten, um die Verweigerer des Glaubens auf der Stirn zu brandmarken, ob Hanfstricke dabei waren, um die verhassten
Ingles
daran aufzuknüpfen. Er fragte sich, ob es der Wahrheit entsprach, dass zweitausend ehrbare Jungfrauen mehrere Jahre an den Fahnen und Bannern der Armada gestickt hatten, und musste plötzlich schmunzeln. Der Magister war ihm eingefallen, der angesichts der letzten Behauptung gewiss gesagt hätte, er könne sich für eine Jungfrau etwas Kurzweiligeres vorstellen als Sticken …
    Dieser Gedanke holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Der Magister mochte dort drüben auf einem der Schiffe mitsegeln – er war dennoch für ihn gestorben. Er war auf der falschen Seite, und er hatte es selbst zu verantworten.
    Ebenso, wie er seine Handlungen zu

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