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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ja, der Wind, der Wind, das Sorgenkind.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Am Nachmittag wollte das Geschwader die Stätte seines Triumphs verlassen und zurück nach England segeln, aber mittlerweile hatten es Drake und seine Flotte mit dem mächtigsten Feind aller Meere zu tun: dem Wind.
    Er war fort. Nicht das leiseste Lüftchen regte sich.
    Die Stunden zogen sich dahin. Bleierne Hitze lag über der Bucht. Die englischen Galeonen saßen wie Raubtiere im Käfig, während die Spanier versuchten, diesen Vorteil zu nutzen. Sie brachten ein neues schweres Geschütz in Position, was zur Folge hatte, dass die Flotte auf der Hut vor Treffern sein musste. Auch Don Pedro de Acuña, der Unermüdliche, war wieder präsent. Er mobilisierte alle zur Verfügung stehenden Kräfte, griff immer wieder an, aber gegen die weittragenden Geschütze der Engländer war er machtlos.
    »Er ist wie ein Faustkämpfer, dem die Reichweite fehlt«, brummte Taggart. »Er kann um uns herumtänzeln, solange er will, er kommt nicht an uns heran.«
    »Aye, Sir, aber auch wir können nichts machen, solange der Wind auf sich warten lässt«, wandte John Fox ein.
    Taggart fuhr aus der Haut: »Bei den Arschbacken Poseidons, wann kommt er denn endlich? Lieber ein anständiger Orkan als diese Flaute. Wir schmoren hier wie in der Hölle.«
    »Er wird schon kommen, Sir.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Und er kam tatsächlich, obwohl er sich noch den ganzen Abend und den Großteil der Nacht Zeit ließ. Erst am Montagmorgen, zwei Stunden nach Mitternacht, regte er sich wieder. Das Geschwader sammelte sich, um zwischen den Untiefen Las Puercas und El Diaman nach Norden aus dem Hafen auszulaufen.
    Die
Falcon
reihte sich nicht ein in die Formation, denn Drakes Befehl galt nach wie vor. Sie musste die Flotte nach hinten absichern. Taggart gefiel das ganz und gar nicht. Er hatte »diesen Präsentierteller, der von Geiern umgeben ist« satt und wollte nach Hause. Die Arbeit war getan, was sollte noch groß passieren.
    Er hatte eine Position südlich von El Diaman gewählt und sah zähneknirschend zu, wie Schiff auf Schiff die
Falcon
passierte. Der Wind war noch immer schwach, aber stetig, und die Ebbe hatte mittlerweile eingesetzt, was dem Geschwader eine annehmbare Geschwindigkeit verlieh. Drakes Flotte hatte sich dank der Prisen um einiges vergrößert, so dass es jetzt an die vierzig Schiffe waren, die den Hafen verließen. »John!«
    »Sir?«
    »Wenn uns das letzte Schiff passiert hat, scheren wir ein, Abstand zunächst noch drei Kabellängen, wie gehabt.«
    »Aye, aye, Sir.«
    »Steht Dunc am Kolderstab?«
    »Aye, aber wir haben gleich acht Glasen, dann wird er abgelöst.«
    »Dann soll er zu mir kommen.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Taggart stelzte in seine Kajüte, ging zum Schapp und holte das Bibergeil hervor. Er hatte stundenlang auf dem Kommandantendeck gestanden, und die Knie brannten ihm, als hätte jemand ein Kautereisen darangedrückt. Nach der Behandlung mit dem ekligen Zeug atmete er auf und setzte sich hinter den Kartentisch. Keine Minute zu früh, denn es klopfte. »Herein!«
    »Ihr habt mich rufen lassen, Sir?« In der Tür stand Duncan Rider, die Mütze unter den Arm geklemmt. Er war ein guter Mann und zählte zu den Veteranen der
Falcon.
Aber nicht nur deshalb fühlte Taggart sich ihm besonders verbunden, sondern auch, weil Dunc einst eine schwere Operation überstanden hatte. Er war über ein aufgeschossenes Tau gestolpert und hatte sich eine Impressionsfraktur des Schädeldachs zugezogen, so jedenfalls war die Diagnose von Doktor Hall, dem Schiffsarzt, gewesen. Ein guter Freund von Taggart, der Cirurgicus Vitus von Campodios, der sich zu dem Zeitpunkt ebenfalls an Bord befunden hatte, war zum gleichen Ergebnis gekommen. Er hatte später auch die Trepanation durchgeführt.
    Nach der Operation war die kreisrunde Öffnung im Schädeldach kunstvoll verschlossen worden, und zwar mit einer Golddublone aus Taggarts persönlicher Schatulle. Der Eingriff war so erfolgreich gewesen, dass Dunc schon wenige Wochen später wieder Dienst verrichten und sogar die
Hornpipe
tanzen konnte. Die
Hornpipe,
einen aus Schottland stammenden Volkstanz, hatte er bei der Gelegenheit gleich dem Cirurgicus beigebracht, der, trotz seines höheren Stands, lachend mitgemacht hatte.
    Überhaupt war der Cirurgicus ein bemerkenswerter Mann. Aufgewachsen in einem spanischen Zisterzienserkloster namens Campodios, war er dort nicht nur in den
Artes liberales
unterrichtet,

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