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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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teilzunehmen, denn er wollte endlich »die Lichtgestalt des spanischen Mannestums«, wie er sich ausdrückte, kennenlernen. Doch als er Don Pedro vorgestellt worden war, sagte er zunächst einmal nichts. Zu karg erschien ihm das, was auf den Tisch gekommen war. »Fürwahr«, sagte er schließlich, »auf diesem Schiff scheint Schmalhans Küchenmeister zu sein, wie karg wird da erst die Kost der Mannschaften aussehen?«
    »Wir essen dasselbe wie alle anderen«, sagte Don Pedro ernst. »Auf ausdrücklichen Wunsch von Vitus.«
    »Keine Extrawürste?«
    »Nein.« Don Pedro schmunzelte. »Das Einzige, was wir uns gönnen, ist ein guter Tropfen. Ich bin zwar der Jüngere von uns beiden, aber ich möchte dir trotzdem das Du anbieten. Ich heiße Pedro.«
    Der Magister blinzelte. »Du scheinst von schnellem Entschluss zu sein.«
    Vitus grinste. »Wir haben es vorher abgesprochen. Pedro und ich duzen uns, und da wäre es komisch, wenn ihr beide es nicht auch tätet.«
    Der Magister gab das Grinsen zurück. »Was ist denn in den Gläsern, mit denen das Du besiegelt werden soll?«
    »Bester spanischer Brandy.«
    »Dann bin ich einverstanden.
Salud,
Landsmann, ich heiße Ramiro, aber es ist besser, du sagst ›Magister‹ zu mir, weil alle meine Freunde mich so nennen.«
    »
Salud,
Magister!
Salud,
Vitus!«
    »Salud
und
cheers!«
    Sie prosteten sich zu und tranken.
    Vitus rief: »Damit wäre der offizielle Teil erledigt, jetzt kommen wir zum gemütlichen Teil des Abends.«
    »Der aber leider nicht lange dauern wird«, ergänzte Don Pedro. »Jedenfalls für mich. Ich hatte bisher noch keine Zeit, die spanischen Matrosen von der
Santa Maria
zu begrüßen, und will das jetzt nachholen. Danach sollen sie die Männer an den Pumpen ablösen. Außerdem spüre ich, dass der Wind bald umspringt und uns die Möglichkeit gibt, diese ungastlichen Gewässer zu verlassen.«
    »Das höre ich gern«, sagte Vitus und nahm einen Löffel der Fleischbrühe, die mit Köpfen des Stockfischs und grünem Gemüse angereichert war, um eine antiskorbutische Wirkung zu erzielen. »Je früher wir zu Hause sind, desto besser!«
    »Sicher«, sagte Don Pedro, und ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, bevor er die Kajüte verließ.
    Als er fort war, sagte der Magister: »Ich wusste gar nicht, dass spanische Admirale so menschlich sein können. Dass er einfache Speise, ohne mit der Wimper zu zucken, vertilgt, finde ich bemerkenswert. Ach, wo ich gerade von einfacher Speise rede: Ich vermisse den Zwerg. Er war es doch sicher, der für diese Suppe den Kochlöffel geschwungen hat?«
    »Dem Zwerg geht es gut. Es gibt nichts, was ihn erschüttern könnte. Er war gestern schon unten im Orlopdeck, um nach dir zu sehen, aber du hast geschlafen. ›Wui, wui, der Blinzler lullt‹, hat er gefistelt. ›Soller ruhich. Hat’n Loch in der Lende, is aber nich bösich, ich spür’s im Hintergeschirr. Knäbbig, dasser krick präsent is, is besser für alle, nich, Örl?‹«
    »Dem ist nicht zu widersprechen«, sagte der Magister. »Trotzdem werde ich bald mit dem Winzling reden müssen, damit seine Portionen größer werden. Er scheint vergessen zu haben, dass ich ein starker Esser bin.«
    Vitus lachte. »Komm, wir gehen hinunter in den Behandlungsraum. Ich will nach den Kranken sehen.«
    »Einverstanden, aber ich weiß natürlich, was du in Wahrheit willst.«
    »So, was will ich denn?«
    »Mich schon wieder ins Bett nötigen.«
     
     
     
    Don Pedro sollte recht behalten, denn eine halbe Stunde später sprang der Wind tatsächlich um. Die Anker wurden gelichtet, und die
Camborne
machte sich daran, bei einem frischen Nordost aus der Donegal-Bucht hinauszukreuzen, wobei das Unterfangen schwieriger als angenommen war, denn es herrschte Finsternis, und ihre Manövrierfähigkeit war durch den Verlust von Kreuz- und Besanmast eingeschränkt. Dazu kam, dass sie ständig Wasser machte und tiefer als normal lag.
    Dennoch gelang es Don Pedro, sein Schiff im fahlen Licht des Mondes an Felsen und Untiefen vorbei nach Westen auf das große Meer hinauszusteuern.
    Gegen Morgen, als die
Camborne
sich freigesegelt hatte, ließ er Kurs Süd abstecken, rief Chock, damit dieser ihn auf dem Kommandantendeck ablöse, und fiel todmüde in seine Koje.
     
     
     
    Zum selben Zeitpunkt kletterte Vitus hinunter in den Bauch des Schiffs, um nach den Kranken im Allgemeinen und dem Magister im Besonderen zu sehen. Zu dem vorhandenen Krankenstand waren noch zwei Matrosen von der
Santa Maria
gekommen,

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