Die Liebe des Wanderchirurgen
deren Hände und Unterarme blutige Ekzeme aufwiesen. Die Hautkrankheiten waren feucht, weshalb Vitus sie mit Kalkpulver behandelte, immer getreu der Erkenntnis der alten Meisterärzte, nach der Feuchtes mit Trockenem und Trockenes mit Feuchtem bekämpft werden sollte.
Während Vitus die Männer behandelte, spürte er, wie sie ihn verstohlen musterten. Wahrscheinlich fanden sie es erstaunlich, dass der spanische Admiral, der ihnen am Streedagh-Strand das Leben gerettet hatte, in Wahrheit ein Schiffsarzt und Cirurgicus war, aber Vitus beschloss, nicht näher darauf einzugehen. Mochte Don Pedro bei Gelegenheit einige erklärende Worte dazu sagen.
McQuarrie laborierte weiterhin an seiner Ruhr, dennoch fand er die Kraft, sich nach dem Zustand des Schiffs zu erkundigen, woraufhin er aber nur unbestimmte Antworten von Vitus erhielt. Er wollte den drahtigen Schotten nicht beunruhigen. Stonewell dagegen schien den Kampf gegen die Ruhr zu gewinnen. Er fühlte sich schon so weit wieder hergestellt, dass er die Pflege von McQuarrie teilweise übernahm. Vitus ließ ihn gewähren, ermahnte ihn aber, er dürfe die Quarantänestation auf keinen Fall verlassen. Er wünschte allseits gute Besserung und verließ die Station, um sich in den Kammern nach den anderen Patienten umzusehen.
Der Mann, dem das zerschossene Schienbein amputiert werden musste, machte weiterhin gute Fortschritte.
Der Bursche mit der abgequetschten Hand würde wieder Dienst machen können – allerdings mit drei Fingern weniger.
Der Matrose Clark, dem eine Musketenkugel das Gesäß quer durchschlagen hatte, musste nicht mehr auf dem Bauch liegen, sondern konnte schon wieder auf einer Backe sitzen. Er schien ein Spaßvogel zu sein, denn er erklärte, diese Position sei gar nicht so schlecht, wenn man sie einnehme, könne man viel leichter furzen. Vitus lachte höflich, bat ihn aber, er möge den Beweis dafür nicht antreten.
Die anderen Amputationen, Brüche, Quetschungen, Stauchungen und Wunden sahen alle mehr oder weniger gut aus. Vitus sprach den Kranken Mut zu und ging zu seinem letzten Patienten – dem Magister. »Na, wie geht’s, altes Unkraut?«
»Habe prächtig geschlafen.« Der kleine Gelehrte gähnte.
»Ich will mir deine Wunde ansehen.« Vitus nahm den Verband ab und betrachtete den Zustand im Schein von mehreren Laternen. »Mit dem Heilungsverlauf bin ich zufrieden, doch in den Rändern steckt immer noch die
inflammatio.
Wir werden sie weiter mit Arzneipulver behandeln.« Er gab das Pulver auf die entsprechenden Stellen und legte einen neuen Verband an. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er das plötzliche Geschrei an Deck überhörte. Erst als der Magister ihn darauf aufmerksam machte, wurde er es gewahr. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, sagte der Magister »Aber es könnte damit zusammenhängen, dass du mit deinen schönen gelben Pantoffeln im Wasser stehst.«
»Was?« Vitus fuhr hoch und sah, dass der Magister recht hatte. Er eilte nach oben und griff sich an Deck den erstbesten Matrosen. »Was ist los?«
Der Mann hatte schreckgeweitete Augen. »Wassereinbruch am Bug, Sir, mehrere Planken hat es fortgerissen. Wir versuchen, das Leck abzudichten.«
»Und? Schafft ihr es?«
»Weiß nicht, Sir, sieht schlecht aus. Muss weiter.« Der Mann rannte fort, und Vitus blickte nach oben zum Kommandantendeck, wo er Don Pedro sah, der heftig auf Chock und Manoel einredete und sie anschließend fortscheuchte. Die Situation schien in der Tat prekär zu sein. Die
Camborne
hatte seit dem letzten Sturm nur durch ständiges Pumpen schwimmfähig gehalten werden können, und ob dieser Zustand so bleiben würde, war angesichts der neuen Entwicklung mehr als fraglich.
Wenn der Wasserspiegel im Schiff weiter stieg, musste er dafür sorgen, dass seine Kranken umgebettet wurden in ein höheres Deck.
Ein Deck höher aber befanden sich zahllose Fässer mit Trinkwasser, Proviant, Segeln und Tauen. Dieses Ladegut würde wiederum ein Deck höher zu verstauen sein, und die Dinge, die dort gelagert wurden, erneut ein Deck höher, bis hinauf zum Batteriedeck …
Als Vitus mit seinen Gedanken so weit gekommen war, hatte er eine Idee. Er lief zum höchsten Punkt des Schiffs, wo Don Pedro mit sorgenvoller Miene stand. »Das Wasser steht schon im Orlopdeck, Pedro«, sagte er möglichst ruhig. »Ich kann meine Kranken nicht da unten ertrinken lassen. Sie müssen umziehen.«
»Natürlich«, sagte Don Pedro, »daran habe ich auch
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