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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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schon gedacht. Wir könnten ihre Pritschen aufs Hauptdeck bringen lassen, dann wären sie gleichzeitig an der frischen Luft.«
    »Ich glaube, das wird nicht ausreichen«, sagte Vitus. »Wenn die
Camborne
trotz aller Bemühungen weiter Wasser macht, müssten wir sie erleichtern, und zwar erheblich.«
    »Du meinst …?«
    »Ja, ich glaube, wir haben keine andere Wahl.«
    Don Pedro nickte. »Dann machen wir es … Chock!«
    Als der bewährte Veteran der
Falcon
erschien, befahl Don Pedro knapp: »Alle Kanonen über Bord,
rápido, rápido!
«
    »Sir?« Chock schluckte. »Aye, aye, Sir. Darf ich mir eine Bemerkung erlauben?«
    »Bitte.«
    »Sollte uns ein Schiff der Dons, äh, ich meine der Spanier, über den Weg laufen, sind wir wehrlos, Sir.«
    »Das müssen wir in Kauf nehmen«, sagte Don Pedro.
    »Lieber wehrlos als abgesoffen«, sagte Vitus.
     
     
     
    Die nächsten Stunden waren eine einzige Schinderei. Jede der Kanonen wog mehrere hundert Pfund, musste mit Hilfe von Taljen vom Batteriedeck aufs Hauptdeck gehievt und von dort mühsam mit Stangen und anderem Gerät über Bord gehebelt werden.
    Die Arbeit war so hart, dass sie alle Gegensätze, alle Unterschiede zwischen den Männern unwichtig machte. Zank, Neidereien, kleinliches Geplänkel waren vergessen. Was zählte, war einzig und allein das Überleben. Sie kämpften Seite an Seite bis zur völligen Erschöpfung, halfen einander, fluchten in allen Sprachen, zogen, schoben, stemmten die schweren bronzenen Geschütze, dass ihnen die Stirnadern schwollen und die Luft aus den Lungen wich. Sie boten ein Bild bester Kameradschaft, und doch ging die Plackerei nur schleppend voran.
    Gleichzeitig versuchte ein anderer Trupp, das große Leck im Vorschiff abzudichten. Die Männer arbeiteten von innen und außen, wobei die Matrosen, die sich außenbords hatten abseilen lassen, zusätzlich mit den Widrigkeiten der gischtenden See kämpfen mussten. Sie waren von oben bis unten durchnässt und bemühten sich, neue Planken aufzuziehen und kleinere Löcher mit Werg abzudichten, doch die Bugwelle machte ihr Werk immer wieder zunichte. Es war eine Sisyphusarbeit.
    Vitus richtete derweil über dem Orlopdeck eine neue Quarantänestation ein, stattete Krankenkammern aus und ließ den Operationstisch seefest machen. Alles musste in Windeseile vonstatten gehen, was auf große Schwierigkleiten stieß, denn obwohl der Magister tatkräftig half und Stonewell sich kurzerhand als geheilt erklärte, fehlte es überall an helfenden Händen.
    Zu alledem musste das Schiff weitergesegelt werden, was unter den erschwerten Bedingungen äußerste Anstrengungen erforderte.
    Einziger Hoffnungsschimmer war das Wetter. Es besserte sich zusehends. Seegang und Wind nahmen ab und beanspruchten die arg gezeichnete
Camborne
nicht mehr so stark. Doch das Leck im Vorschiff konnte nicht abgedichtet werden. Nach wie vor drangen große Wassermassen in den Schiffsrumpf, was dazu führte, dass die Pumpen immer schneller bedient werden mussten und Don Pedro sich gezwungen sah, die Männer in immer rascherem Wechsel ablösen zu lassen.
    Die Sorgenfalten auf seiner Stirn wurden nicht kleiner. Er stand allein auf seinem erhöhten Posten und musste mit ansehen, wie der Rumpf des Schiffs trotz aller Bemühungen tiefer und tiefer in die See eintauchte. Er überlegte gerade, ob er Kurswechsel befehlen sollte, um die
Camborne
an der Südspitze Irlands auf Grund zu setzen, als eine Stimme ihn vom Hauptdeck aus anrief: »
Buenos días,
Landsmann, mein Augenlicht lässt zwar zu wünschen übrig, aber ich habe eine gute Portion Optimismus zu verteilen. Wie steht’s, darf ich deine heilige Stätte betreten?«
    Trotz der misslichen Lage musste Don Pedro lächeln. »Komm nur, Magister, eine Portion Optimismus ist immer willkommen. Ich frage mich allerdings, woher du sie nehmen willst.«
    »Das weiß ich selbst noch nicht.« Der kleine Gelehrte grinste entwaffnend. »Aber auch da bin ich Optimist.«
    »So wie du aussiehst, könnte das tatsächlich stimmen. Wenn sich nur das vermaledeite Leck am Bug abdichten ließe, dann ginge es mir gleich viel besser.«
    Der Magister überlegte. »Wenn uns das große Schiff unter den Händen wegsinkt, könnten wir vielleicht das kleine nehmen?«
    »Du meinst das Beiboot? Das würde uns nicht weit bringen, da gehen höchstens fünfzig Mann hinein, und wir sind über dreihundert.«
    »Dann müssten wir eben den Schiffsraum vergrößern.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wir könnten ein Floß

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