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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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»Das ist ein Wort!«
    »Wui, wui!«, krähte der Zwerg, »der span’sche Peter is’n fitzer Gack!«
    »Können wir jetzt?«, fragte Taggart leicht irritiert.
    Die Männer tranken.
    Don Pedro setzte als Einziger sein Glas nicht ab, sondern sagte: »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Capitán Taggart. Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte und bin froh, den Mann kennenlernen zu dürfen, der meine Männer in der Schlacht von Cádiz verschont hat. Es wäre Euch ein Leichtes gewesen, die brennende Galeere zu zerstören, aber Ihr habt es aus Rücksicht auf die wehrlose Besatzung nicht getan. Dafür gebührt Euch höchster Respekt. Wenn Ihr gestattet, trinke ich auf Euch und auf die Ritterlichkeit, die uns alle verbindet.
Salud!
«
    Die Herren tranken erneut, und Taggart, der sich seine Befangenheit um alles in der Welt nicht anmerken lassen wollte, brüllte: »Tipperton! … Tipperton!«
    Endlich erschien der Schreiber in der Tür. »Ihr habt mich gerufen, Sir?«
    »Nein, ich wollte nur ein Lied singen! Natürlich habe ich Euch gerufen. Füllt unsere Gläser neu, aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf.«
    Tipperton gehorchte mit beleidigter Miene, und als er seine Pflicht erfüllt hatte, sagte Vitus: »Leider kann McQuarrie nicht mit am Tisch sitzen. Er hat die Ruhr, und zwar ziemlich schwer. Ich denke, wir sollten auf den alten Haudegen ebenfalls anstoßen.«
    Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. Die Herren tranken erneut.
    Tipperton wurde als Mundschenk abermals bemüht, und da er wie immer zu langsam war, musste er sich von Taggart die Frage gefallen lassen, wann er endlich gedenke, mit den Getränken zu Stuhle zu kommen.
    Danach machte Stonewell den Vorschlag, auf den Zwerg zu trinken, da dieser den Kranken bei jedem Wetter kräftigende Kost zubereitet habe und darüber hinaus als Blutstiller erfolgreich gewesen sei. Die Idee fand allseitige Zustimmung und wurde prompt in die Tat umgesetzt.
    Don Pedro wiederum regte an, auf Vitus, den Cirurgicus, zu trinken, da dieser ihn nach dem Untergang der
San Salvador
so kunstgerecht verarztet habe. Der Anregung mochte niemand widersprechen.
    Der Magister mahnte, man dürfe nicht vergessen, auch auf sich selbst und die Göttin Fortuna zu trinken, schließlich heiße es:
Sui quique mores fingunt fortunam.
Diese Aussage wurde von niemandem bezweifelt, schon gar nicht von jenen, die des Lateinischen nicht mächtig waren.
    Später meinte der Zwerg, man solle auf den »Mattich« trinken, und als keiner wusste, wen er damit meinte, erklärte er in seinem Kauderwelsch, Mattich heiße Sommer, und der Sommer sei ja nun da und mache als Erster Dienst, auch wenn er sich »angelsch« schriebe.
    Noch später, als die Zungen schwerer und die Reden distanzloser wurden, meinte Summer, man müsse auch auf Tipperton trinken, aber da dieser selbst nach wiederholtem Rufen nicht erschien, mussten die Gläser so geleert werden.
    Es wurde an diesem Abend noch auf viele und vieles angestoßen, auf Persönlichkeiten wie auf Gegenstände, auf Galionsfiguren, Talismane und altes Unkraut, auf Golddublonen in Schädeldecken, turbanförmige Verbände und Beinprothesen aus Elfenbein, auf die Gesundheit und den gesunden Appetit, auf die Jugend, auf das Alter, auf Wein, Schnaps und den Alkohol an sich, einfach auf alles, was einem benebelten Hirn einfiel, nur auf die gekrönten Häupter der kriegführenden Länder wurde nicht getrunken, was aber niemand groß vermisste.
    Ebenso wie niemand bedauerte, dass die offizielle Begrüßung durch Taggart unter den Tisch gefallen war.
     
     
     
    Am darauffolgenden Tag, einem Samstag, stieg eine goldene Augustsonne aus dem Meer und schien ein letztes Mal auf die sinkende
Camborne
. Der Bug des braven Schiffs war schon vollständig vom Wasser bedeckt, und bald würde auch das Heck verschwunden sein.
    Taggart, der jedes Schiff liebte, stand grimmig dreinblickend auf dem Kommandantendeck seiner
Falcon
und fluchte lautlos vor sich hin. Vitus, der neben ihm stand, missdeutete den Gesichtsausdruck und fragte: »Sir, ich hoffe, Euch brummt nicht allzu sehr der Schädel?«
    »Von dem bisschen Alkohol gestern Abend? Lächerlich!«
    »Dann macht Euch sicher das verbliebene Knie zu schaffen?«
    »Das Knie? Ich strafe es mit Missachtung, stehe sowieso mehr auf meinem Elfenbeinbein.«
    »Was bedrückt Euch dann?«
    »Der Untergang der
Camborne.
Sie stellt beste englische Schiffbaukunst dar; es ist ein Jammer, dass Poseidon sie zu sich holt. Viel zu früh!

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