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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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hinzu: »Vielleicht sogar besser als du, denn ich verbrachte meine Jugend im Kloster Campodios und studierte die
Artes liberales.
«
    Isabella schwieg.
    »Sprichst du kein Englisch?«
    »Ich hasse alle Engländer!«
    »Dafür muss es einen Grund geben.«
    Wieder verging eine Weile. Vitus wartete, diesmal geduldiger, denn er hatte das Gefühl, das Eis sei gebrochen.
    »Ich heiße Isabella del Pilar y Ribera.«
    »Aha, nun gut.« Vitus setzte sich Isabella gegenüber und schaute ihr prüfend in die Augen. Sie hielt seinem Blick stand. Er stellte fest, dass erneut ein Funke Hochmut in ihnen glomm. Mit einiger Phantasie, dachte er, lässt sich erahnen, wie du in besseren Tagen ausgesehen hast. Herrisch, stolz, unnahbar. Nicht wenig davon ist auch heute noch zu spüren. Und dennoch: Die Vorstellung, dass du als junge Adlige aus dem Haus Pilar y Ribera ausgerechnet in den dreckigsten Bilgenraum von Taggarts
Falcon
verschlagen wurdest, fällt schwer.
    Er beschloss, die Frau auf die Probe zu stellen. »Es gibt eine berühmte spanische Adelsfamilie, die mit der deinen verwandt ist. Weißt du, welche ich meine?«
    »Meine Familie ist mit den edelsten Geschlechtern Spaniens verwandt, aber ich vermute, du meinst die Guzmáns.«
    Vitus horchte auf. »In der Tat, die meine ich.«
    »Ich bin eine Nichte des siebten Herzogs von Medina Sidonia, Alonso Pérez de Guzmán El Bueno!«
    Die Behauptung kam so selbstsicher, dass sie wahrscheinlich stimmte. Aber Vitus fand, dass sie ein wenig zu selbstsicher daherkam, deshalb sagte er: »Das mag sein. Allerdings siehst du im Moment kaum danach aus.«
    »Einen Wundschneider der englischen Marine hatte ich mir auch anders vorgestellt.«
    »Lassen wir das Geplänkel. Warum hasst du alle Engländer?«
    Isabella schwieg.
    »Oder wäre es der Señorita genehmer, wenn ich fragen würde: Warum hasst
Ihr
alle Engländer?«
    »Du tätest gut daran, mich meinem Stand gemäß anzusprechen – auch wenn ich dir zu einem gewissen Dank verpflichtet bin.«
    Aha, dachte Vitus, kaum ist die Dame dem Schlimmsten entronnen, trägt sie die Nase schon wieder hoch. Sie muss zäh sein wie Leder, sonst würde es ihr nicht schon wieder so gutgehen. Das Bad scheint ihr wohlgetan zu haben. Sie sieht etwas rosiger aus. Eigentlich sogar recht anziehend, wenn man von den schmalen Lippen absieht. Nun, das mag sich ändern, wenn sie nicht mehr so mager ist. Ich muss noch etwas für ihre Haut tun. Die Flechten und Unreinheiten sind rauh und trocken, sie müssten also mit feuchter Arznei behandelt werden, so sagen es die alten Meisterärzte. Am besten mit Molke. Aber ich habe natürlich keine. Wieso ärgere ich mich eigentlich ständig über sie? Ich will mich nicht ärgern. Sie ist nicht mehr als ein eingebildetes junges Ding. Höchstens zwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich ihr ganzes bisheriges Leben verzogen und verhätschelt und in einem goldenen Käfig aufgewachsen. Hat noch nie im Leben etwas geleistet und bildet sich sonst was ein. »Vielleicht sollten wir es doch beim Du belassen«, sagte er laut. »Und sozusagen auf gleicher Ebene miteinander sprechen. Ich stamme aus einem normannischen Geschlecht, bin Vitus von Collincourt, Earl of Worthing.«
    »Pah!«
    »Du brauchst mir nicht zu glauben. Ebenso, wie du mir nicht sagen musst, warum du alle Engländer hasst. Ich gehe jetzt zum Captain …«
    »No, no, por favor!«
Isabella rang die Hände.
    Vitus schüttelte den Kopf. »Du bist eine seltsame junge Frau, mal hochmütig, mal verzweifelt und bemitleidenswert. Ich werde aus dir nicht schlau. Aber beruhige dich. Ich gehe nur zum Captain, um mit ihm das Abendessen einzunehmen. Für heute will ich deine Anwesenheit an Bord verschweigen. Du brauchst Schlaf und gesunde Kost, damit du wieder auf die Beine kommst. Das ist zunächst das Allerwichtigste. Ich werde Enano bitten, dass er dir etwas bringt. Und nun entschuldige mich.«

[home]
    Die Rächerin Isabella
    »Pah, Wundschneider, was tust du denn schon den ganzen Tag. Untersuchst Krethi und Plethi und schmierst die Knie vom Capitán mit irgendwelchem Zeugs ein.«
    D rei Tage später wusste Vitus, warum Isabella alle Engländer hasste.
    Ihre erstaunliche Geschichte war der Grund dafür, warum er sie, ganz gegen seine ursprüngliche Absicht, noch immer in der Kammer von Doktor Hall versteckt hielt.
    In der Nacht nach ihrer ersten Begegnung hatte sie sich heimlich in den Behandlungsraum im Orlopdeck geschlichen, wo er aus Anstandsgründen nächtigen wollte, und ihm von ihrem

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