Die Liebe des Wanderchirurgen
gelegt.«
»Aye, Sir. Bis Mittag sind es mindestens noch drei Stunden, Ihr solltet Eure Knie bis dahin schonen und Eure Kajüte aufsuchen.«
»Aber ich habe keine Schmerzen. Jedenfalls so gut wie keine. Ich glaube wirklich, es liegt an der Kälte, Cirurgicus, äh, und natürlich an Eurer Behandlungskunst.«
»So weit ist es mit der Kunst nicht her, Sir, die Möglichkeiten des Arztes sind bei Euren Beschwerden begrenzt. Dass Ihr keine oder kaum Schmerzen verspürt, kann an der Kälte liegen, aber auch an dem starken Brennnesselaufguss, den ich Euch verschrieben habe, oder daran, dass Ihr in den letzten Tagen weniger Gelegenheit hattet, Euren geliebten Rheinwein zu trinken, oder einfach daran, dass die Krankheit launisch ist, sich für ein paar Tage verabschiedet, um anschließend wieder verstärkt aufzutreten.«
»Was wir nicht hoffen wollen!«
»Seeeeegler!«
»Himmel und Hölle und bei den Arschbacken Poseidons, schon wieder? Wo, Ausguck?«
»Achteraus, Sir, geschätzte Entfernung zwei Meilen!«
»Hat man überhaupt keine Ruhe mehr! Nationalität?«
»Ich glaube, es ist der Spanier von gestern, Sir!«
»Himmel und Hölle und …« Taggart brach ab, denn beim Fluchen wiederholte er sich nicht gern. »Verdammte Dons! Dass sie auch immer so zäh sein müssen! McQuarrie!«
»Sir?« Der drahtige Schotte kam herbeigestürmt.
»Jetzt werden wir mal ein Exempel statuieren. Der Don soll merken, dass er es mit dem schnellsten Schiff Ihrer Majestät zu tun hat, und wird, ob er will oder nicht, zähneknirschend die Verfolgung abbrechen müssen. Mag er nach La Coruña zurücksegeln, wo, wie es scheint, die Gran Armada Schutz vor dem Unwetter gesucht hat. So ein Sturm ist eben nichts für große Geschwader und schwere Schaluppen.«
»Aye, aye, Sir.« McQuarrie wollte davonpreschen, wurde von Taggart aber zurückgehalten. »Ich will, dass auch der letzte Quadratzoll Tuch an die Rahen kommt. Ein Strich nach steuerbord, ich brauche raumen Wind!«
»Aye, aye, Sir.« Taggarts Befehle traten die gewohnte Wanderung von Mann zu Mann an, und alsbald rauschte die
Falcon
wie eine Windsbraut durch die See. Der Spanier achteraus wurde zusehends kleiner.
Taggart strahlte – und taumelte plötzlich. Ein Schlag wie von einer Riesenfaust hatte das Schiff getroffen. »Himmel und Hölle …« Taggart fing sich wieder. »Was, zum Teufel …? Großer Gott!«
McQuarrie erschien und verkündete kreidebleich, was Taggart und Vitus schon gesehen hatten: »Die Bramrah vom Fockmast ist gebrochen, Sir!« Unaufgefordert fügte er hinzu: »Sie hat der Belastung nicht standgehalten.«
»Das sehe ich!« Taggart beherrschte sich mühsam. »Äxte ausgeben! Stehendes Gut kappen! Segel bergen! Schmeißt die Rah über Bord! Macht schon, macht schon, wir haben keine Zeit zu verlieren!«
Wie besessen arbeiteten die Männer, doch es zeigte sich, dass es mit den von Taggart befohlenen Arbeiten nicht getan war, denn der Bruch der Rah brachte zusätzlich das Marssegel zum Killen, so dass auch dieses geborgen werden musste. Das alles hatte zur Folge, dass die
Falcon
an Fahrt verlor und der Spanier stark aufkam.
Taggart haderte mit seinem Schicksal. Jetzt rächte sich, dass die Rahen monatelang an Land gelegen hatten, ohne gründliche Überholung, ohne neuen Lederbezug; sie waren mürbe geworden, trocken und brüchig. Doch Jammern nützte nichts, neben den ergriffenen Maßnahmen mussten neue befohlen werden.
»McQuarrie!«
»Sir?«
»Lasst die Geschützpforten öffnen. Mahon und Reffles sollen Feuerbereitschaft herstellen. Wenn wir den Dons schon nicht die Hacken zeigen können, wollen wir sie wenigstens auf Abstand halten.«
Doch es zeigte sich, dass Fortuna nicht mit ihnen im Bunde war. Mahon und Reffles erzielten mit ihren Männern zwar gute Treffer, doch sie erwiesen sich als nutzlos. Der Spanier kam immer näher und eröffnete nun seinerseits das Feuer. Als ein Teil des Galions davongeflogen war und ein Unterwassertreffer das Schiff erschüttert hatte, ließ Taggart alle verfügbaren Männer zusammentrommeln und hielt eine seiner berühmten knappen Reden:
»Männer! Heute hat nicht alles so geklappt, wie es sein soll. Wer trotzdem von Euch nach Hause will, wird kämpfen müssen wie noch nie in seinem Leben. Wenn die Dons entern, schmeißt sie ins Meer zurück! Kämpft mit Zähnen und Klauen! Erschießt sie, erschlagt sie, erdrosselt sie, erwürgt sie, erhängt sie! Macht, was Ihr wollt, aber wehrt sie ab. Für unsere Jungfräuliche
Weitere Kostenlose Bücher