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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Euer Hochwohlgeboren, habt Ihr Euren blöden Ring zurück!«
    Sie warf ihm das kostbare Stück vor die Füße und lachte.
    Schweigend bückte er sich, hob den Ring auf und verließ den Raum.

[home]
    Der Patient Sir Hippolyte Taggart
    »Wenn dieses Laudazeugs nicht da ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich von Bacchus trösten zu lassen, oder wollt Ihr, dass ich weiter in mein Gesangbuch beiße? In dulci jubilo, damit der Schmerz nachlässt?«
    D ie Morgenstunden des darauffolgenden Sonntags hatte Taggart genutzt, um die Erkenntnisse des vorangegangenen Tages noch einmal zu überprüfen, doch die Zahlen der feindlichen Schiffe änderten sich im Wesentlichen nicht. Danach war er auf Nordkurs gegangen und hatte bis zum Mittag die Armada weit hinter sich gelassen. Am Frühnachmittag hatte er alle abkömmlichen Männer auf das Hauptdeck befohlen und einen Dankgottesdienst für den glückhaften Ausgang der Mission gehalten.
    Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn Er errettet mich vom Strick des Jägers, und von der schädlichen Pestilenz. Er wird dich mit Seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter Seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild …
    Nun stand er mit Vitus an der Querreling und beobachtete das muntere Treiben auf dem Hauptdeck. Wer nicht dienstlich gebunden war, durfte feiern. Taggart hatte jedem Mann einen halben Becher Brandy spendiert und die Genehmigung für Gesang und Tanz erteilt.
    Das ließen die Männer sich nicht zweimal sagen. McQuarrie holte seinen Dudelsack hervor und Arch seine fertig geschnitzte Flöte. Was fehlte, war ein Trommler. Doch nach einigem Hin und Her erklärte sich der Zwerg bereit, einen seiner Töpfe umzudrehen und zwei Belegnägel als Schlegel zu verwenden. Die daraus entstehende Musik schleppte sich zunächst recht holprig dahin, aber nach einigen Schlucken des vorzüglichen Brandys aus Taggarts Privatbeständen klang sie zusehends runder, die Männer wurden ausgelassener, begannen zu singen und den
Bacca Pipes Jig
zu tanzen. Der Höhepunkt der Ausgelassenheit wurde erreicht, als einige der Männer sich als Frauen verkleideten, indem sie sich aus Schwabbern Perücken bauten und alte Segel zu einer Art Wickelrock um die Leiber schlangen. Dieserart ausgestattet, versuchten sie sich an einer
Volta,
dem Lieblingstanz ihrer Königin, wobei sie grölend und sich gegenseitig anfeuernd das skandalträchtige Entblößen des Unterrocks andeuteten; sie hüpften, sprangen und schlitterten mit ihren »Partnern« im Dreivierteltakt über das Deck, sangen zweideutige Lieder, jauchzten und schrien und fühlten sich allesamt, als könnten sie Bäume ausreißen.
    Vielleicht war der Ausbruch ihrer Gefühle auch ein Ausdruck der Befreiung, denn jeder an Bord wusste, dass die gestrige Aktion ein Husarenstreich gewesen war, gefährlich und voller Brisanz, und dass es nun endlich nach Hause ging.
    Taggart grinste gutmütig, so weit es seine Narbe zuließ, und sagte zu Vitus: »Sie sind wie Kinder, Cirurgicus, denken nicht an morgen, nur an das Hier und Jetzt.«
    Vitus nickte und dachte an Isabella. Er hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, sich herumgewälzt und darauf gewartet, dass seine Wut auf diese dreiste, hochmütige Person nachlassen würde. Nur langsam hatte er sich beruhigt, hatte sich gesagt, dass sie eine unvorstellbar schwere Zeit hinter sich gebracht hatte und dass ihre Säfte zweifellos noch nicht wieder im Einklang waren. Das musste man verstehen.
    Jetzt, bei Tage, war sein Zorn weitgehend verraucht, und sie tat ihm fast leid, denn natürlich hörte sie in ihrer selbst gewählten Abgeschiedenheit, wie fröhlich und lautstark gefeiert wurde.
    Sein Blick glitt über die einzelnen Männer, und besonders über diejenigen, die schon vor ihm an Bord gewesen waren und Isabella vielleicht »besucht« hatten. Taggart hatte recht: Sie waren wie Kinder, lebten im Hier und Jetzt, und hatten den Bilgenraum und die darin vegetierende Frau sicher längst vergessen.
    »Woran denkt Ihr, Cirurgicus?«
    »Ach, äh, nichts Besonderes, Sir. Wann wollt Ihr eigentlich den Männern ihr
Falcon-
Abzeichen wiedergeben?«
    »Meint Ihr, sie hätten es schon verdient?«
    »Nun, immerhin haben sich alle gestern wacker gehalten. Die eine oder andere Situation war doch recht kitzlig. Manchmal dachte ich, wir würden auf einem Vulkan

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