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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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tanzen.«
    »Ehrlich gesagt, ich auch, Cirurgicus. Aber um bei Eurem Vergleich zu bleiben: Zum Glück spie der Vulkan kein Feuer – er war zu langsam und zu schwerfällig.«
    »Seeeeegler an Steuerbord!«
    Taggart spähte hinauf zum Hauptmast. So willkommen ihm die gestrige Sichtung von Schiffen war, so ungelegen kam sie ihm heute. Wie seine tanzenden Männer auf dem Hauptdeck, so wollte auch er möglichst schnell nach Hause. Natürlich zeigte er das nicht und bellte stattdessen: »Wie viele?«
    »Einer, Sir. Der Bauart nach eine Galeone.«
    »Welcher Kurs?«
    »Sie hält nach Westen, Sir.«
    »Jetzt sehe ich sie auch.« Taggart kniff die Augen zusammen. »Ich hatte mal ein Okular von einem Holländer, eine Art Rohr, das aus zwei Linsen bestand, die verschiebbar waren. Irgendwie konnten sie Gegenstände vergrößern. Ich wünschte, ich hätte das Ding noch.«
    »Was ist denn daraus geworden, Sir?«, fragte Vitus.
    »Habe es zu den Fischen gegeben. Es taugte nichts, ein Klapperatismus. Die Zeit war wohl noch nicht reif für eine solche Erfindung … He, Ausguck: Welche Nationalität?«
    »Spanier, Sir, ich erkenne das rote Kreuz auf den Hauptsegeln!«
    »Bei allen Seeschlangen, das heißt nichts! Unser gutes Georgskreuz ist auch rot!«
    »Aber es ist das Kreuz der Kreuzfahrer, Sir!«
    Taggart knurrte: »Zur Hölle mit meinen Augen, letztes Jahr konnte ich noch auf einem Segel in dreihundert Yards Entfernung zwei Stubenfliegen nach dem Geschlecht auseinanderhalten. Dass wir einen Don vor der Nase haben, will mir nicht schmecken.«
    »Captain, Sir!« Dorsey kam herbeigeeilt, bat um Erlaubnis, das Kommandantendeck betreten zu dürfen, und meldete in strammer Haltung: »Dicke Luft von Westen, Sir. Wind frischt auf. Riecht nach einem kapitalen Sturm.«
    »Verdammte … Überraschung!« Taggart konnte es gerade noch vermeiden, in die Fäkalsprache abzugleiten. Er ärgerte sich, dass ihm die Wetterentwicklung über der Feierei völlig entgangen war, und er ärgerte sich über den Spanier. Sein Bauch sagte ihm, dass er gefährlich war. Oder wollte er nur zur Armada stoßen? Selbst wenn, er konnte die
Falcon
dennoch angreifen. Man durfte das Maß seines Glücks nicht überstrapazieren.
    »Dorsey!«, bellte Taggart. »Der Don interessiert uns nicht, wir tun so, als wär nichts. Die Maskerade ist vorbei. Der Ernst des Lebens beginnt wieder. Kurs Westnordwest. Wir segeln direkt in den Sturm. Die Feuerstelle ist zu löschen. Lasst vorsorglich Strecktaue spannen. Sämtliche Segel bleiben oben, solange es irgend geht. Wache und Freiwache an die Brassen. Wir sagen
adios
und machen uns davon.«
    »Aye, aye, Sir!« Dorsey eilte fort, um die Befehle weiterzugeben.
    Fünfzehn Minuten später war der Spanier hinter turmhohen Wellen verschwunden.
     
     
     
    Wieder lag eine Nacht auf dem Operationstisch hinter Vitus. Ursprünglich hatte er zu Isabella gehen und ihr von der neuesten Entwicklung berichten wollen, es dann aber nicht getan. Zwar grollte er ihr nicht mehr, doch konnte es nicht schaden, sie mit ihren Gedanken für ein paar weitere Stunden allein zu lassen. Vielleicht würde ihr dann klarwerden, welch unmögliches Benehmen sie ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte.
    Nach einer ausgiebigen Rasur im Schein seiner Operationslaternen und einer Reinigung der nötigsten Körperteile stieg er hinauf an Deck. Wie jeder alte Fahrensmann hatte er sich angewöhnt, zunächst einmal die Nase in den Wind zu halten und das Wetter zu prüfen.
    Es war nicht viel besser als gestern. Die Windstärke hatte etwas nachgelassen, und die Dünung war nicht mehr so hoch. Eine blasse Sonne lugte dann und wann zwischen den Wolken hervor. Die
Falcon
machte gute Fahrt bei einem frischen Südwest.
    »Kommt herauf, Cirurgicus!« Taggart stand auf seinem Kommandantendeck wie eine in Stein gemeißelte Statue. »Ich brauche einen, mit dem ich schwatzen kann.«
    »Aye, aye, Sir.« Vitus hatte eigentlich dem Zwerg einen Besuch abstatten wollen, um eine heiße Suppe oder Ähnliches zu ergattern, denn die Feuchtigkeit und die Kälte, die überall im Schiff herrschten, mussten mit Wärme von innen bekämpft werden. Im Anschluss daran wollte er die Schlafplätze der Mannschaften auf Schwamm und Schimmel untersuchen und sie nötigenfalls mit Essigwasser auswaschen lassen. Aber wenn der Kapitän rief, musste dem selbstverständlich Folge geleistet werden.
    »Ich will nachher die Breite nehmen, Cirurgicus, habe den Kreuzstab und das Astrolabium schon parat

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