Die Liebe einer Frau
Winterfenster waren noch nicht abgenommen worden, nicht anders als bei den meisten Häusern in der Stadt. Das Haus hatte nichts Besonderes an sich, doch der Garten war berühmt für seine Blumen. Mrs. Willens war eine renommierte Gärtnerin, die ihre Blumen nicht in langen Reihen neben den Gemüsebeeten pflanzte, wie es Jimmys Großmutter und Buds Mutter taten. Bei ihr wuchsen sie in Rundbeeten und in Halbmondbeeten und überall, sogar noch in den Baumtellern. In ein paar Wochen würden die Osterglocken den Rasen füllen. Aber gegenwärtig stand nur der Forsythienstrauch an der Ecke des Hauses in Blüte. Er war fast so hoch wie die Dachkante, und er sprühte Gelb in die Luft, wie aus einem Springbrunnen Wasser schießt.
Die Forsythie schüttelte sich, aber nicht vom Wind, und heraus kam eine gebeugte, braune Gestalt. Es war Mrs. Willens in ihren alten Gartensachen, eine rundliche kleine Frau in ausgebeulter Hose und abgewetzter Jacke und einer Schirmmütze, die vielleicht ihrem Mann gehört hatte – sie rutschte ihr in die Stirn und verdeckte fast die Augen. In der Hand hielt sie eine Gartenschere.
Die Jungen verharrten – es gab nur das oder wegrennen. Vielleicht dachten sie, sie würden nicht gesehen werden, sie könnten sich in Zaunpfähle verwandeln. Aber Mrs. Willens hatte sie bereits gesehen, deswegen kam sie angehastet.
»Ich sehe, ihr gafft meine Forsythie an«, sagte Mrs. Willens. »Möchtet ihr was davon für zu Hause?«
Was sie angegafft hatten, war nicht die Forsythie, sondern die ganze Szene – das Haus, das wie immer aussah, das Schild neben der Praxistür, die Gardinen, die Licht einließen. Nichts Unheimliches oder Unheilverkündendes, nichts, was besagte, dass Mr. Willens nicht im Haus und sein Auto nicht in der Garage war, sondern im Skagerrakteich. Und Mrs. Willens draußen bei der Gartenarbeit, wo alle in der Stadt sie erwarten würden, sobald der Schnee geschmolzen war. Und sie rief mit ihrer vertrauten, tabakrauen Stimme, abrupt und fordernd, aber nicht unfreundlich – eine Stimme, die man schon von weitem erkannte und in jedem Laden heraushörte.
»Wartet«, sagte sie. »Wartet, ich hole euch welche.«
Sie begann, geschickt und wählerisch die leuchtendgelben Zweige abzuschneiden, und als sie genug beisammen hatte, kam sie hinter einem Wandschirm aus Blüten auf die Jungen zu.
»Hier«, sagte sie. »Bringt die euren Müttern. Es ist immer gut, Forsythien zu sehen, sie sind im Frühling das Allererste.« Sie teilte die Zweige zwischen ihnen auf. »Wie Gallien«, sagte sie. »Gallien ist in drei Teile geteilt. Das müsst ihr schon kennen, wenn ihr Latein habt.«
»Wir sind noch nicht in der Highschool«, sagte Jimmy, dessen häusliches Leben ihn besser als die anderen darauf vorbereitet hatte, mit Damen zu reden.
»Noch nicht?«, sagte sie. »Na, dann habt ihr noch vieles vor euch, auf das ihr euch freuen könnt. Sagt euren Müttern, sie sollen sie in lauwarmes Wasser stellen. Ach, das wissen die sicher. Ich habe euch Zweige gegeben, die noch nicht ganz aufgeblüht sind, also werden sie sich bestimmt lange halten.«
Sie bedankten sich – Jimmy als Erster, die anderen taten es ihm nach. Sie gingen mit beladenen Armen weiter zum Stadtzentrum. Sie hatten nicht die Absicht, umzukehren und die Blumen nach Hause zu bringen, und sie verließen sich darauf, dass Mrs. Willens nicht genau wusste, wo sie zu Hause waren. Eine halbe Querstraße weiter blickten sie sich verstohlen um, ob sie ihnen nachschaute.
Sie tat es nicht. Außerdem versperrte das große Haus dicht am Bürgersteig die Sicht.
Die Forsythien gaben ihnen zu grübeln. Die Peinlichkeit, sie herumzutragen, das Problem, sie loszuwerden. Sonst hätten sie über Mr. Willens und Mrs. Willens nachgrübeln müssen. Wie konnte sie in ihrem Garten arbeiten und er in seinem Auto ertrunken sein? Wusste sie, wo er war, oder wusste sie es nicht? Eigentlich konnte sie es gar nicht wissen. Wusste sie überhaupt, dass er fort war? Sie hatte sich verhalten, als wäre nichts passiert, überhaupt nichts, und als die drei Jungen vor ihr standen, war ihnen das wie die Wahrheit vorgekommen. Was sie wussten, was sie gesehen hatten, verlor allein dadurch, dass Mrs. Willens es nicht wusste, für sie an Kraft, an Wahrscheinlichkeit.
Zwei Mädchen auf Fahrrädern kamen um die Ecke gebogen. Eins davon war Buds Schwester Doris. Die Mädchen begannen sofort zu johlen und zu kreischen.
»Ach, seht mal die Blumen«, schrien sie. »Wo ist die
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