Die Liebe in den Zeiten der Cholera
Gehröcken aus schwerem Tuch, die sie während des dreitägigen offiziellen Besuchs unter einem glühenden Augusthimmel nicht ausgezogen hatten, mußten dann aber so neugierig gehen, wie sie gekommen waren, denn der Papagei weigerte sich zwei verzweifelte Stunden lang, auch nur Piep zu sagen, trotz der flehentlichen Bitten, der Drohungen und der öffentlichen Schmach des Doktor Urbino, der, entgegen den weisen Ratschlägen seiner Frau, auf der tollkühnen Einladung bestanden hatte. Die Tatsache, daß der Papagei auch nach diesem historischen Affront noch seine Privilegien behielt, war der letzte Beweis für seine sakrale Sonderstellung. Kein anderes Tier war im Haus erlaubt, außer der Erdschildkröte, die drei oder vier Jahre, nachdem man sie endgültig verloren geglaubt hatte, wieder in der Küche aufgetaucht war. Sie aber wurde nicht als Lebewesen angesehen, sondern eher als mineralischer Glücksbringer, von dem man nie genau wußte, wo er sich gerade befand. Doktor Urbino weigerte sich zuzugeben, daß er Tiere haßte, und vertuschte das durch alle möglichen wissenschaftlichen Fabeln und philosophischen Ausreden, die viele, nicht aber seine Frau, überzeugten. Er sagte, daß wer Tiere übertrieben liebe, zu den größten Grausamkeiten gegenüber Menschen fähig sei. Er sagte, daß Hunde nicht treu, sondern unterwürfig seien, Katzen opportunistisch und verräterisch, daß Pfauen Herolde des Todes, Makais nicht mehr als hinderliche Dekorationsstücke seien, daß Kaninchen die Habgier förderten, Kapuzineraffen das Fieber der Wollust übertrügen und die Hähne verdammt seien, weil sie sich dazu hergegeben hätten, daß Christus dreimal verleugnet wurde.
Seine Frau Fermina Daza hingegen, die damals zweiundsiebzig Jahre alt war und schon den Gang einer Hindin früherer Zeiten verloren hatte, war eine irrationale Anbeterin von äquatorialen Blumen und von Haustieren und hatte zu Anfang der Ehe die Neuheit der Liebe genutzt, um sehr viel mehr davon ins Haus zu bringen, als der gesunde Menschenverstand empfahl. Als erste kamen drei Dalmatiner mit den Namen römischer Imperatoren, die sich gegenseitig um die Gunst eines Weibchens zerfleischten, das seinem Namen Messalina alle Ehre machte, da sie länger dazu brauchte, neun Welpen zu werfen, als weitere zehn auszutragen. Dann kamen die abessinischen Katzen mit ihrem Adlerprofil und den pharaonischen Manieren, die schielenden Siamkatzen, höfische Perserkatzen mit orangefarbenen Augen, die wie Geisterschatten durch die Zimmer glitten und in den Nächten mit den Schreien ihres Liebessabbats Aufruhr stifteten. Einige Jahre lang hatte sie einen amazonischen Kapuzineraffen, der um den Bauch herum an den Mangobaum im Hof gekettet wurde und der so etwas wie Mitleid weckte, da er das trübselige Antlitz des Erzbischofs Obdulio y Rey hatte, doch nicht deswegen entledigte sich Fermina Daza seiner, sondern weil er die schlechte Angewohnheit hatte, sich in Gegenwart der Damen zu befriedigen.
In den Gängen gab es Käfige mit den verschiedensten Arten von Vögeln aus Guatemala, dazu wachsame Rohrdommeln, Sumpfreiher mit langen gelben Beinen und einen Junghirsch, der sich in die Fenster hineinreckte, um die Anthurien aus den Vasen zu fressen. Kurz vor dem letzten Bürgerkrieg, als zum ersten Mal von einem möglichen Besuch des Papstes die Rede war, hatte Fermina Daza aus Guatemala einen Paradiesvogel kommen lassen, der, als bekannt wurde, daß die päpstliche Reise eine Erfindung der Regierung gewesen war, um die gegen sie verschworenen Liberalen zu schrecken, schneller wieder in sein Land zurückgelangte, als es gedauert hatte, ihn herbeizuschaffen. Ein anderes Mal kaufte sie auf den Segelschiffen der Curafao-Schmuggler einen Drahtkäfig mit sechs duftenden Raben, ganz ähnlich jenen, die Fermina Daza als Kind im Elternhaus gehabt hatte und die sie nun als verheiratete Frau wieder haben wollte. Doch niemand konnte das ständige Geflatter ertragen, das das Haus mit einer Ausdünstung wie von Totenkränzen erfüllte. Auch eine vier Meter lange Anakonda wurde angeschafft, eine schlaflose Jägerin, deren Seufzer die Dunkelheit der Schlafzimmer aufstörte; allerdings erreichten sie mit ihr das Gewünschte: Ihr todbringender Atem vertrieb die Fledermäuse und Salamander und die vielfältigen Arten schädlicher Insekten, die in den Regenmonaten ins Haus eindrangen. Doktor Urbino, damals von seinem Beruf sehr gefordert und zudem abgelenkt von seinen staatsbürgerlichen und kulturellen
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