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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Initiativen, gab sich mit der Vermutung zufrieden, daß, inmitten von so vielen abscheulichen Kreaturen, seine Gattin nicht nur die schönste Frau im karibischen Raum war, sondern auch die glücklichste. An einem regnerischen Nachmittag jedoch, nach einem aufreibenden Arbeitstag, fand er in seinem Haus eine Katastrophe vor, die ihn in die Wirklichkeit zurückholte. In der Empfangshalle und so weit der Blick reichte, trieb in einer gewaltigen Blutlache eine Unzahl toter Tiere. Die Dienstmädchen waren auf die Stühle geklettert und wußten nicht, was tun, sie hatten sich von der Panik des Gemetzels noch nicht erholt.
    Tatsache war, daß eine der Deutschen Doggen aufgrund eines plötzlichen Tollwutanfalls durchgedreht war und jedwedes Tier, das ihr in den Weg kam, zerfleischt hatte, bis der Gärtner des Nachbarhauses Mut gefaßt hatte, sich ihr entgegenstellte und sie mit Machetehieben zerstückelte. Man wußte nicht, wie viele Tiere der Hund gebissen oder mit seinem grünen Geifer angesteckt hatte, so daß Doktor Urbino befahl, die Überlebenden zu töten und die Kadaver auf einem abgelegenen Feld einzuäschern. Auch bat er den Außendienst des Hospital de la Misericordia um eine gründliche Desinfektion des Hauses. Die einzige, die sich rettete, weil niemand an sie gedacht hatte, war die Glücksschildkröte. Fermina Daza gab erstmals in einer häuslichen Angelegenheit ihrem Mann recht und hütete sich lange Zeit davor, von Tieren zu sprechen. Sie tröstete sich mit den Farbtafeln aus der Naturgeschichte von Linne, die sie einrahmen und an die Wände im Salon hängen ließ, und hätte vielleicht am Ende die Hoffnung verloren, je wieder ein Tier im Haus zu sehen, wenn nicht eines Tages bei Morgengrauen Räuber ein Badezimmerfenster eingedrückt und das über fünf Generationen vererbte Silberbesteck mitgenommen hätten. Doktor Urbino brachte Doppelschlösser an den Ringen der Fenster an, verwahrte die wertvollsten Gegenstände im Geldschrank und nahm verspätet die Kriegsgewohnheit an, mit dem Revolver unter dem Kopfkissen zu schlafen. Aber er widersetzte sich der Anschaffung eines scharfen Hundes, ob geimpft oder nicht, freilaufend oder an der Kette, selbst wenn ihn die Diebe bis auf die Haut ausrauben sollten. »Es kommt mir nichts ins Haus, das nicht sprechen kann«, sagte er.
    Er sagte es, um den Spitzfindigkeiten seiner Frau ein Ende zu setzen. Diese hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, wieder einen Hund zu kaufen, und er ahnte nicht, daß seine voreilige Verallgemeinerung ihn einmal das Leben kosten sollte. Fermina Daza, deren schroffer Charakter sich mit den Jahren abgeschliffen hatte, griff die sprachliche Leichtfertigkeit des Gatten wie im Flug auf: Ein paar Monate nach dem Diebstahl ging sie wieder zu den Seglern aus Curacao und kaufte einen Königspapagei aus Paramaribo, der nur Matrosenflüche rufen konnte, diese aber mit einer so menschlichen Stimme hervorbrachte, daß er allemal den überhöhten Preis von zwölf Centavos wert war.
    Es war einer von der guten Sorte, leichtgewichtiger, als er aussah, mit gelbem Kopf und einer schwarzen Zunge, das einzige, woran man ihn von den Manglero-Papageien unterscheiden konnte, die nicht einmal mit Terpentinzäpfchen zum Sprechen zu bringen sind. Doktor Urbino war ein guter Verlierer, er beugte sich der Findigkeit seiner Frau und war selbst überrascht von dem Vergnügen, das ihm die Fortschritte des von den Dienstmädchen in Atem gehaltenen Papageien bereiteten. An Regennachmittagen, wenn sich diesem vor Freude über die eingeweichten Federn die Zunge löste, sagte er Sätze aus anderen Zeiten, die er nicht im Haus aufgeschnappt haben konnte und die vermuten ließen, daß er noch älter war, als er zu sein schien. Die letzten Vorbehalte des Arztes brachen in sich zusammen, als eines Nachts wieder einmal Diebe durch eine Luke der Dachterrasse einzubrechen versuchten und der Papagei sie mit dem Gebell einer Bulldogge vertrieb, das, wäre es echt gewesen, kaum so glaubhaft geklungen hätte, und dann schrie er noch: Haltet den Dieb, haltet den Dieb, zwei rettende Kunststückchen, die er nicht im Haus erlernt hatte. Damals hatte sich Doktor Urbino seiner angenommen, er ließ unter dem Mangobaum einen Bügel mit einem Wassernapf und einer Schale für reife Bananen anbringen und dazu noch ein Trapez zum Turnen. Von Dezember bis März, wenn die Nächte kälter wurden und es draußen wegen der Nordwinde nicht mehr auszuhalten war, holten sie ihn in dem mit einem Tuch

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