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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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das Fermina Daza nicht identifizieren konnte. Sie fing mit einer großen Portion an, doch es schmeckte ihr so gut, daß sie sich noch einmal reichlich auftat, und als sie gerade bedauerte, sich aus Gründen der Schicklichkeit nicht ein drittes Mal nehmen zu können, erfuhr sie, daß sie soeben mit ungeahntem Genuß zwei gehäufte Teller Auberginenpüree gegessen hatte. Sie verlor mit Anstand: Von diesem Tag an kamen auf dem Landsitz in La Manga fast so häufig Auberginen in jeder Zubereitungsform auf den Tisch wie im Palais de Casalduero, und alle aßen sie so gern, daß Doktor Juvenal Urbino sich in seinen Mußestunden des Alters das Vergnügen erlaubte, noch eine Tochter haben zu wollen, um ihr einen im Hause wohlgelittenen Namen zu geben: Aubergine Urbino.
    Fermina Daza wußte zu jener Zeit bereits, daß das Privatleben, anders als das öffentliche Leben, wetterwendisch und unberechenbar ist. Es fiel ihr nicht leicht, wirkliche Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen auszumachen, doch letztendlich zog sie die Kinder wegen ihres sicheren Urteils vor. Kaum hatte sie das Kap der Reife umschifft und jede Selbsttäuschung hinter sich gelassen, wurde ihr langsam ernüchternd bewußt, nie das geworden zu sein, was sie sich ersehnt hatte, als sie im Parque de los Evangelios jung war, sondern statt dessen etwas, was sie sich so nie eingestanden hätte: eine Luxusdienerin. In Gesellschaft war sie schließlich die Beliebteste, Umschmeicheltste und daher auch die Gefürchtetste, dagegen wurde sie nirgends so hart gefordert und nirgends wurde ihr so wenig verziehen wie bei der Führung des Haushalts. Sie hatte stets das Gefühl, ein vom Ehemann geliehenes Leben zu leben: als absolute Herrscherin über ein weites Reich des Glücks, das von ihm und allein für ihn aufgebaut worden war. Sie wußte, daß er sie über alles liebte, mehr als sonst jemanden in der Welt, er liebte sie aber nur für sich: Ihm war sie zu heiligem Dienst verpflichtet. Wenn sie etwas verdroß, dann die lebenslängliche Fron der täglichen Mahlzeiten. Das Essen mußte nicht nur pünktlich auf dem Tisch stehen, es mußte exquisit sein und genau das, was er ungefragt zu essen wünschte. Wenn sie doch einmal fragte, eine der vielen sinnlosen Zeremonien des häuslichen Rituals, hob er nicht einmal den Blick von der Zeitung und antwortete: »Irgend etwas.« Er meinte das wirklich und sagte es in seiner freundlichen Art, denn man konnte sich keinen Ehemann vorstellen, der weniger despotisch gewesen wäre. Zur Essenszeit aber durfte es dann nicht irgend etwas sein, sondern genau das, was er gerade wünschte, und mußte allen Ansprüchen genügen: Das Fleisch durfte nicht nach Fleisch schmecken, der Fisch nicht nach Fisch, das Schwein nicht nach Krätze, das Hähnchen nicht nach Federn. Auch wenn es nicht Spargelzeit war, mußte man, koste es, was es koste, welchen auftreiben, damit er sich an den Dämpfen seines duftenden Urins erfreuen konnte. Nicht ihm gab sie die Schuld, sondern dem Leben. Er aber war ein unerbittlicher Repräsentant des Lebens. Beim leisesten Zweifel schob er den Teller beiseite und sagte: »Dieses Essen ist nicht mit Liebe zubereitet.«
    In diesem Zusammenhang war er zu phantastischen Höhenflügen der Inspiration fähig. Einmal gab er, kaum daß er von dem Kamillentee genippt hatte, die Tasse mit einem einzigen Satz zurück: »Das Zeug schmeckt nach Fenster.« Sie wie auch die Dienstmädchen waren verblüfft, denn wer hatte schon von jemandem gehört, der ein aufgebrühtes Fenster getrunken hätte, als sie jedoch alle in dem Bemühen, ihn zu verstehen, den Tee probierten, begriffen sie: Er schmeckte nach Fenster.
    Er war ein perfekter Ehemann: Nie hob er etwas vom Boden auf, er löschte kein Licht, schloß keine Tür. In morgendlicher Dunkelheit hörte sie ihn, wenn einmal ein Knopf an seiner Kleidung fehlte, sagen: »Man brauchte zwei Ehefrauen, eine zum Lieben und die andere zum Knöpfeannähen.« Tag für Tag stieß er beim ersten Schluck Kaffee und beim ersten Löffel dampfender Suppe einen herzzerreißenden Schrei aus, der schon niemanden mehr erschreckte, und machte dann sofort seinem Ärger Luft: »Wenn ich eines Tages abhaue, dann wißt ihr, warum. Ich habe es satt, immer mit verbrannter Zunge rumzulaufen.« Er behauptete, nie gebe es so leckere und ausgefallene Gerichte wie an den Tagen, an denen er nicht mitessen konnte, weil er ein Abführmittel genommen hatte, und war davon überzeugt, es handele sich um eine Perfidie

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